Der Weg der Gebote

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Psalm 119 (Auszüge)

Herr, weise mir den Weg deiner Gesetze!

Ich will ihn einhalten bis ans Ende.

Gib mir Einsicht, damit ich deiner Weisung folge

und mich an sie halte aus ganzem Herzen.

Führe mich auf dem Pfad deiner Gebote!

Ich habe an ihm Gefallen.

Deinen Vorschriften neige mein Herz zu,

doch nicht der Habgier!

Wende meine Augen ab von eitlen Dingen;

durch dein Wort belebe mich!

Nach deinen Befehlen hab‘ ich Verlangen.

Gib mir neue Kraft durch deine Gerechtigkeit!

Sehr prägnant weist uns der Psalmist in seiner Bitte an Gott auf den Weg einer authentischen Nachfolge des Herrn hin. Mit kurzen Worten wird uns gesagt, was wir zu tun und was wir zu lassen haben, um auf unserem Weg nicht stehenzubleiben oder gar abzuirren.

Der Weg der Gesetze: Nichts geht ohne die Gebote des Herrn. Sie sind die absoluten Leitplanken auf unserem Weg mit Gott. Jede geringste Verletzung bringt unsere Schritte ins Wanken, eine dauerhafte Verletzung der Gebote führt in die Irre. Jesus macht uns noch genauer auf diesen Weg der Gebote aufmerksam. Schon der ungeordnete Blick auf die Verlockung zur Sünde verbindet uns mit ihr und verdunkelt die Seele (vgl. z.B. Mt 5,28). Sie tritt damit objektiv bereits in den Bereich der Gottferne ein.

Wir sind gerufen, den Weg der Gesetze bis ans Ende zu gehen. Dieses Wort kann eine doppelte Bedeutung haben: Zum einen, daß wir den Weg bis zum Tod treu zu bleiben haben, zum andern, daß wir die Gebote in ihrer ganzen uns zugänglichen Bedeutung und in allem, was sie umfassen zu erfüllen haben. Dazu erbitten wir von Gott Einsicht.

Die Gabe der Einsicht ist eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes, welche uns eindringen läßt in die innere Schönheit der Weisungen des Herrn. Sie sind dann nicht etwa eine Last oder primär eine Verpflichtung, der wir zu entsprechen haben, vielmehr stimmen wir durch die Einwirkung des Heiligen Geistes diesem Weg mit ganzem Herzen zu, d.h. unser Herz erwacht in der Liebe zu Gott und seiner weisen Führung.

Es wirkt der Geist der Frömmigkeit in uns, wenn wir zunehmend Gefallen an dem Pfad seiner Gebote finden, indem wir in unserer ganzen Ausrichtung darauf bedacht sind, unserem himmlischen Vater und seiner Ehre mit Freude zu dienen. Eifersüchtig wird der Geist des Herrn in und mit uns darüber wachen, daß nichts mehr in uns Bestand hat, was dem Willen Gottes widersprechen könnte.

Unser Herz – aus dem nach den klaren Worten Jesu alles Böse kommt (Mt 15,19) – ist gerufen, sich dem Herrn zuzuneigen, der es an sich zieht. Er befreit es von aller Habgier, auf was immer sich diese auch richten mag: seien es materielle oder geistige Güter, die wir für uns selbst besitzen wollen und nicht mehr als Geschenk Gottes verstehen.

Mit großer Wachsamkeit gilt es, das Herz von eitlen Dingen abzuwenden. Sie nehmen unser Herz nicht nur gefangen, sondern verdunkeln auch den Ausdruck unseres Lebens. Außerdem machen sie uns zu Toren, die sich selbst einer gewissen Lächerlichkeit ausliefern. Wie töricht ist es, sich auf vergängliche Dinge zu stützen und von ihnen Glück zu erwarten! Und wie töricht ist es, wenn man sich auf sein Wissen oder sein Aussehen etwas einbildet!  Kohelet gibt da die rechte Weisung: “Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.” (Koh 1,2) – außer, Gott zu dienen!

Das Wort des Herrn spendet Leben: Wohl dem, der es betrachtet, vertieft und danach handelt. Es sättigt unsere Seele und erweckt gleichzeitig das Verlangen, noch mehr vom Herrn zu erkennen. Die Seele hört auf, umherzuschweifen und – auf der Suche nach saftigen Weiden – doch nur löchrige Zisternen zu finden (vgl. Jer 2,13), sondern sie nimmt die wahre Nahrung auf. Ist sie klug, dann macht sie es, wie es die geistlichen Väter in der Wüste raten: Sie kaut das Wort Gottes bis es seine ganze Süße und Würze entfaltet; sie handelt wie die Jungfrau Maria und bewegt das Wort im Herzen bis es sie durchdringt (Lk 2,19).

Die Betrachtung der Weisheit Gottes und seiner Gerechtigkeit stärkt die Seele und gibt neue Kraft, den Weg der Gebote weiterzugehen und Ihm treu zu bleiben.

Werden wir uns zum Schluß dieser kleinen Auslegung des Psalmes über eines klar: Wie der Psalmist haben wir darum zu bitten, daß wir fähig werden, diesen Weg zu gehen. Aus uns selbst besitzen wir nicht genügend Kraft, all dem zu widerstehen, was uns vom Weg abhalten will. Doch Gott läßt uns niemals alleine. Er kennt unsere Schwächen und Begrenzungen und hat uns allerlei Hilfsmittel gegeben, uns immer wieder aufzurichten und weiterzugehen. Mit dem Kommen seines Sohnes ist er uns näher als in Zeiten des Alten Testamentes. “Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.” (Joh 1,14a). In den heiligen Sakramenten bietet Er uns immer wieder seine Gnade an, sodaß jeder auf dem Weg der Gebote sicher wandern kann, wenn er auf den Herrn hört und seine unschätzbare Hilfe annimmt.