Wer sein Gebetsleben bereichern und intensivieren will, findet in der Tradition der Ostkirche ein sehr wertvolles Gebet: das sogenannte »Herzensgebet« oder »Jesusgebet«.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Dieses Gebet gehört zum reichen Schatz der Kirche, wird aber vor allem von Gläubigen der orthodoxen Kirche gebetet. Es ist keine Anleihe von Meditationspraktiken anderer Religionen, sondern es ist genuin christlich! Derzeit findet diese Weise des Gebetes auch mehr Zugang in unsere römisch-katholische Kirche, da sie das Verlangen nach Stille und Sammlung in fruchtbarer Weise zu beantworten vermag.
Der heilige Paulus fordert uns auf: “Betet ohne Unterlaß!” (1Thess 5,17) Das beständige Gebet ist eine wunderbare Weise, wie sich das Herz unter dem Einfluß des Heiligen Geistes verwandeln kann; außerdem ist es eine Waffe gegen die bösen Geister.
Die Ursprünge des Herzensgebetes finden wir in der Heiligen Schrift selbst und es erinnert an das, was wir als »Stoßgebete« bezeichnen. Auch die gläubigen Juden wiederholten oft das »Shema Jisrael« – Höre, Israel (Dtn 6,4-9)
Die ägyptischen Mönche des 3. bis 6. Jahrhunderts systematisierten nun das »Stoßgebet« und gelangten nach verschiedenen vorhergehenden Formulierungen schließlich zu der klassischen Formel: “Jesus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner.”
Dieses Gebet hat eine wunderbare Aussage und ist ihrem Wesen nach trinitarisch. So schreibt der Metropolit Dr. Serafim Joanta:
“Das Jesusgebet ist auch ein trinitarisches Glaubensbekenntnis in sehr konzentrierter Form. In ihm bekennen wir Jesus als Sohn Gottes und als wahren Gott; wir bekennen auch Gott-Vater als Vater unseres Herrn Jesus Christus und wir bekennen, wenn auch indirekt, den Heiligen Geist, denn niemand kann sagen, daß Jesus Gott ist, wenn er nicht im Heiligen Geist ist (vgl. 1 Kor 12,3). Eigentlich betet der Heilige Geist in uns und für uns, und dies “mit unaussprechlichen Seufzern” (Röm 8,26). Das Jesusgebet ist, wie jedes andere Gebet, ein Gebet im Heiligen Geist.”
Mit dem Herzensgebet bitten wir um Gottes Erbarmen. Die letzten Worte dieses Gebetes entstammen dem Lukasevangelium: “Der Zöllner aber blieb ganz hinten (im Tempel) stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: “Gott, sei mir Sünder gnädig!”(Lk 18,13)
Das Gebet erlebte eine Blütezeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert auf dem Berg Athos. Diese Insel bei Griechenland ist nur von Mönchen bewohnt. Sie leben in Klöstern oder auch in Einsiedeleien.
Vom Berg Athos aus gelangte das Gebet schon bald nach Russland und fand dort große Verbreitung. Im 16. Jahrhundert kam es zur Blüte. In einer weiteren Phase der Ausbreitung des Herzensgebetes im 19. Jahrhundert erfuhr dieses Gebet eine große Intensität, weil es viele sog. Starzen (Lehrer des geistlichen Weges) gab, die ihren Erfahrungsschatz mit diesem Gebet den Menschen weitergaben.
Die Praxis des Herzensgebetes schlug sich auch in der Literatur nieder! Eines der bekanntesten Bücher von einem unbekannten Verfasser heißt: “Die aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers”.
Es dürfte der göttlichen Vorsehung entsprechen, daß dieses Gebet nun auch im Westen Ausbreitung findet, denn wir können nicht übersehen, daß der katholische Westen geistlich wie ausgehungert wirkt. Nicht wenige Menschen suchen daher nach östlichen Meditationsformen, um einen Weg nach Innen und in die Stille zu finden. Doch sind solche Wege aus christlicher Sicht nicht unproblematisch, weil man sich Einflüssen anderer Religionen öffnet, die neben Wertvollem auch noch viele Irrtümer enthalten, was leicht zur Verwirrung beitragen kann.
Das Herzensgebet hingegen – wenn es in der rechten Weise praktiziert wird – ist eine große Hilfe und kann in die »Vorhalle der Kontemplation« führen. Deshalb ist es besonders jenen zu empfehlen, welche ihr Gebetsleben intensivieren wollen.
Morgen fahren wir mit dem Thema fort und ich werde einige konkrete Anweisungen zum Herzensgebet geben.
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Link zur Meditation des Tagesevangeliums: https://elijamission.net/2021/08/23/