Die Gaben des Heiligen Geistes (1/7): DIE GOTTESFURCHT

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Am heutigen Pfingsttag feiern wir die Herabkunft des Heiligen Geistes. Welch großartigen Wandel können wir bei den Aposteln erkennen! Die ehemals Verzagten werden durch die Gegenwart des Heiligen Geistes zu vollmächtigen Boten der Liebe Gottes und verkünden furchtlos das Evangelium. Das große Zeichen, daß jeder der aus den verschiedensten Gebieten kommenden Zuhörer die Botschaft der Apostel in seiner eigenen Sprache verstehen konnte (vgl. Apg 1,8), war ein Zeichen für die Zukunft.

Es war, als ob für einen Moment die Sprachverwirrung aufgehoben würde, um die Großtaten Gottes zu verkünden, denn diese sollten alle Menschen hören!

Der Heilige Geist ist also für die Evangelisierung gesandt, um das Werk des Herrn weiterzuführen und um die Kirche, die diesen Auftrag vom auferstandenen Herrn empfangen hat, zu erleuchten, zu stärken und zu bewegen! Er ist also der “große Evangelisator”!

Gleichzeitig ist der Heilige Geist auch der Meister unseres inneren Lebens. Er führt uns zur Bekehrung, und leitet uns auf diesem Weg weiter, damit unser Herz verwandelt wird. Er will unsere Seele nach dem Bilde Gottes gestalten. Um dies zu erreichen, lockt er uns, die Tugenden zu praktizieren, und immer dort, wo wir an unsere Grenzen stoßen, kommt er uns zu Hilfe mit seinen sieben Gaben: “Sie vervollständigen und vervollkommnen die Tugenden derer, die sie empfangen und sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen.” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1831).

So wollen wir während der Pfingstoktav jede einzelne dieser sieben Gaben des Heiligen Geistes betrachten. Heute beginnen wir mit der Gottesfurcht.

“Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit (Ps 111,10a)

Diese Gabe des Heiligen Geistes bewirkt, daß in der Seele des Menschen, der im Stand der Gnade lebt, eine große Abneigung gegen die Sünde entsteht. In großer Klarheit erkennt man sowohl ihre zerstörerische Kraft als auch – und das ist noch wichtiger –, daß durch die Sünde die Majestät und Liebe Gottes mißachtet wird.

Es ist eine der ersten Lektionen, die der Heilige Geist jener Seele schenkt, die ernsthaft nach Heiligkeit strebt, denn sie soll bereit werden, den Weg der Vereinigung mit Gott zu gehen.

Wenn die Gabe der Gottesfurcht wirksam wird, dann ist in der Seele des Menschen bereits die Liebe erwacht. Sie versteht daher eindeutig, daß es allein die Sünde ist, die von Gott trennen kann. Es zieht eine Art kindliche Furcht in das Herz des Menschen ein, wenn es den Herrn als liebenden Vater erkennt. Nichts möchte man tun, was von Gottes Liebe trennen und ihn beleidigen könnte. So verbringt die Seele ihr Leben in großer Achtsamkeit.

In ihrem Bemühen, alles zu vermeiden, was die Beziehung zu Gott verdunkeln könnte, wird die Seele nicht primär von knechtischer Furcht angetrieben, welche vor allem die Strafe meiden will. Stattdessen wird sie durch die Gabe der Gottesfurcht von einer immer feiner werdenden Empfindsamkeit auf Gott hin geleitet. Dies führt bei einem konsequenten Weg zu einer immer hochherzigeren Hingabe an den Herrn.

Die doppelte Erkenntnis – zum einen der unermesslichen Größe Gottes, zum andern seiner Barmherzigkeit – läßt nun die Gabe der Gottesfurcht in der Seele reifen und sich harmonisch im geistlichen Leben entfalten. Die rechte Ehrfurcht vor Gott und die Liebe machen die Seele zunehmend bereit, die Gegenwart Gottes aufzunehmen.

Die Ehrfurcht – das Staunen vor der Heiligkeit Gottes – verhilft im Umgang mit Gott, jede Art von falscher Vertraulichkeit zu meiden. Die familiäre Beziehung zu unserem himmlischen Vater bewahrt uns davor, in einer großen Distanz zu Gott zu leben, die unser geistliches Leben öde werden lassen könnte.

Die Entfaltung der Gabe der Gottesfurcht führt auch dazu, daß wir all die Gaben, welche Gott uns zu unserem Heil schenkt, tiefer erfassen. Sei es die Größe des Opfers Jesu Christi, seien es die Heiligen Schriften, die authentische Lehre der Kirche, die heiligen Sakramente und all das, was der Herr für die Menschen bereitet hat.

Unter der Wirkung dieser Gabe werden wir leichter jenen Tendenzen entgegenwirken können, welche die Ehrfurcht vor den heiligen Handlungen mindern. Wir werden aufmerksamer achten auf unser Reden und unseren Umgang mit anderen Menschen. Wenn wir Gott mit der rechten Ehrfurcht und Liebe begegnen, wird uns derselbe Geist lehren, dies auch mit den Menschen zu tun, welche nach Seinem Bild geschaffen sind.

Unter Einwirkung der Gabe der Gottesfurcht übernimmt die Liebe, die ja der Heilige Geist selbst ist, die Führung in unserem Leben. Wenn wir seinen Antrieben und Lockungen folgen, dann können die Mängel, welche unserem Tugendstreben noch anhaften, unter seinem Einfluß mehr und mehr überwunden werden. Je größer unsere Sensibilität wird, desto leichter kann er uns motivieren und uns die Kraft geben, das zu tun, was er uns vorgibt.

Er wird zu unserem inneren Meister auf dem Weg der Heiligkeit. Wir haben uns auf den Weg gemacht, die Weisheit Gottes tiefer zu verstehen. Der Herr selbst wird sein Werk an uns vollenden, wenn wir dem gewiesenen Pfad treu bleiben.