Da wir bis zum Ende des Jahres noch eine größere Mission in verschiedenen Teilen Amerikas vor uns haben, weichen wir etwas von der gewohnten Form dieser täglichen Ansprachen ab. Das soll aber nicht zum Nachteil sein, denn ich werde mich mit geistlichen Themen befassen, die für die Entfaltung einer gesunden Spiritualität wichtig sind. Auch wenn es sich um Wiederholungen handelt, sind diese nützlich, denn wir leben von der Wiederholung, die nach einem guten Sprichwort »die Mutter der Weisheit« ist.
Im Anschluß an dieses Thema werden zum Beginn des neuen Kirchenjahres (in der Adventszeit) tägliche Betrachtungen der Apokalypse folgen.
Wir bitten um euer begleitendes Gebet, damit die Mission fruchtbar werde. Ihr wißt, daß uns die Heilige Schrift und die authentische Lehre sehr am Herzen liegen. So werden wir auf dem Weg bis zum Ende des weltlichen Jahres noch einen Blick auf ein Schreiben des ehemaligen Glaubenspräfekten Kardinal Ratzinger werfen, der uns mit »Dominus Jesus« ein wichtiges Dokument hinterlassen hat, das die gegenwärtig wirksame Irritation in Bezug auf die Einzigartigkeit der Erlösung durch Jesus Christus entgegenwirken kann, weil es sich auf sicherem kirchlichen Boden bewegt.
- Die gesunde Grundlage des geistlichen Lebens
Das geistliche Leben, welches wir als ein »Wachsen in der Liebe« bezeichnen können, wird in der klassischen mystischen Theologie in drei Phasen beschrieben: der Weg der Reinigung, der Erleuchtung und der Vereinigung. Dieser Weg steht jenen Menschen offen, die dem Ruf Gottes aufrichtig folgen. Der Heilige Geist, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist, wirkt in unseren Herzen, um uns nach dem Bilde Christi zu verwandeln. Der Mensch, der “aus dem Wasser und dem Geist” (Joh 3,5) wiedergeboren ist, formt sich unter seinem milden Einfluß und wird fähig, die Liebe Gottes immer mehr in sich aufzunehmen, in ihr zu leben und zu wirken – also ein wahrhaft liebender Mensch zu werden.
Für diesen gnadenhaften Weg der Nachfolge Christi ist es zunächst wichtig, ihn auf ein sicheres und stabiles Fundament zu stellen, das immer gegenwärtig bleibt. Auch ein Jünger, welcher der Einladung Christi gefolgt ist, hat deswegen noch nicht die Schwächen seiner menschlichen Natur überwunden und braucht den beständigen Beistand Gottes. Er soll auf diesem Pfad weder zu Schaden kommen noch sich verirren! Deshalb ist es ein großes Geschenk, wenn uns ein geistlich erfahrener Mensch zur Seite stehen und uns guten Rat geben kann. Sollte sich kein entsprechender Lehrer finden – was leider oft der Fall ist – reicht uns die Kirche trotzdem viele Hilfsmittel auf dem Weg der Nachfolge, um den Jünger zu stärken und zu belehren. Aus ihrem Schoß kamen nicht wenige erleuchtete geistliche Lehrer hervor, die uns sehr gut und gewissenhaft über den Weg der Nachfolge Christi Kunde geben.
Die sichere und gesunde Basis, auf der unser geistliches Leben aufbaut, um mit großem Vertrauen und mit Freude den Weg der Nachfolge des Herrn beschreiten zu können, ist die Liebe des himmlischen Vaters.
Haben wir die umfassende Barmherzigkeit Gottes in seiner väterlich-zärtlichen Liebe als Grundlage unseres geistlichen Lebens kennengelernt, so begegnen wir auf dem weiteren geistlichen Weg mehr der formenden und erziehenden Liebe Gottes.
Wenn wir zu Gott Vertrauen gefunden haben und bereits zunehmend in der Sicherheit seiner Liebe leben, dann beginnt Gott sein großes Umgestaltungswerk in uns. Jetzt geht es nicht mehr nur darum, in der Freude des gefundenen Glaubens zu leben, sondern am Umwandlungsprozeß des Menschen durch den Heiligen Geist mitzuwirken. Gott möchte, daß wir wieder nach seinem Bild gestaltet werden, welches oft tief verwundet oder gar entstellt ist. In seinem Sohn Jesus Christus zeigt er uns das wahre Bild des Menschen: “Seht, der Mensch!” (Joh 19,5). Durch ihn, mit ihm und in ihm sind wir auf diesen Weg gerufen. Jesus lädt uns auf den Weg der Heiligkeit ein mit den Worten: “Seid vollkommen, wie Euer himmlischer Vater vollkommen ist!” (Mt 5,48).