Joh15,18-21
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt. Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten. Das alles werden sie euch um meines Namens willen antun; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.
Wenn wir das Zeugnis der Heiligen Schrift hören, merken wir, daß manche Vorstellungen, die uns heute in der Kirche vermittelt werden, nicht der Wirklichkeit entsprechen. Eine davon ist, daß man oft meint, der Glaube müsse sich der Welt anpassen; oder gar: Menschen würden leichter zur Kirche und zu Gott finden, wenn jene herausfordernden Passagen des Neuen Testamentes übergangen oder umgedeutet würden, die den Christen in den Gegensatz zu dieser Welt stellen.
Der heutige Text spricht sogar vom Haß, den die Welt dem Christen entgegenbringt, und von Verfolgungen, welche die Jünger um Jesu willen zu erleiden haben.
Wie kommt es zu diesem Haß? Eigentlich – so könnte man meinen – würde es doch als Reaktion der Welt ausreichen, wenn man mit der Botschaft des Christentums nichts zu tun haben will, sie einfach übergeht oder ihr mit Gleichgültigkeit begegnet…
Aber auf die Dauer geschieht dies so nicht. Stattdessen scheint die Existenz eines bekennenden Christen eine Art Bedrohung für die Welt zu sein. Aus dem Zeugnis der Heiligen Schrift wissen wir, daß der Haß der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen Jesus sich immer mehr steigerte, bis er sich schließlich in der Auslieferung in die Hand der Römer mit der Forderung der Kreuzigung Jesu entladen hat (vgl. Joh 19,15).
Eine Antwort auf die obige Frage, wie es zu solch einem Haß kommt, lesen wir im ersten Kapitel des Johannesevangeliums: “Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfaßt. (…) Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.” (Joh 1,5.9-11)
Jeder wahrhafte Jünger des Herrn ist von Jesus erwählt (vgl. Joh 15,16). Er wird mit seinem Denken und Handeln aus dieser Welt herausgerufen, die das Licht der Welt nicht erkennt. In der Nachfolge Christi bezeugt der Jünger die Gegenwart des Herrn, indem er seine Lehre und seine Art und Weise zu sein und zu handeln annimmt. So erinnert die Existenz des Jüngers die Welt daran, daß sie nicht aus sich selbst existiert, sondern daß sie ihr Dasein einem anderen zu verdanken hat.
Wenn aber die gottabgewandte Welt unter die Macht des “Fürsten dieser Welt” geraten ist, dann wirkt dieser in ihr und durch sie und verfolgt die “Kinder des Lichtes” (Eph 5,8). Es dürfte für den Fürsten dieser Welt unerträglich sein, durch die Christen daran erinnert zu werden, daß er eine Kreatur und nicht die Ursache aller Dinge, nicht das Ziel der Schöpfung, also nicht wie Gott ist.
Wir wissen durch die Versuchungsgeschichte Jesu, daß der Widersacher die Anbetung für sich selbst sucht (Mt 4,9). Diese wird ihm von den Jüngern Christi jedoch verweigert, während die Kinder dieser Welt seine Täuschungen und Verstellungen oft gar nicht wahrnehmen. Häufig werden die Dinge dieser Welt als letzte und eigentliche Wirklichkeit des Lebens angesehen, was unmerklich zu einer Art von Götzendienst führt. Hinter diesem verbirgt sich die Absicht der widergöttlichen Mächte, die Menschen von Gott fernzuhalten und ihnen Ersatzwelten anzubieten.
Der Widerstand der Jünger, diese Angebote anzunehmen, erweckt den Haß des Teufels, der durch den Jünger mit dem Meister, dem Herrn selbst, konfrontiert wird.
Jesus nennt uns noch einen weiteren Grund, wie es zur Verfolgung der Christen kommen kann: “denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat”. Sie kennen also den Vater nicht; sie kennen weder seine Güte noch seine Weisheit. Oft tragen sie falsche Vorstellungen von Gott in sich, leben in der Unwissenheit oder haben sich von Gott abgewandt.
Die realistische biblische Einschätzung der Welt hilft uns, die Dinge in ihrem Kern zu verstehen. Weder eine falsche Offenheit zur Welt hin noch eine ängstliche Verschlossenheit sollte den Jünger prägen. Jesus konnte sich durchaus auch von den Menschen zurückziehen (Joh 10,39), “denn er wußte, was im Menschen war” (Joh 2,24-25). Dennoch führte er seinen Auftrag bis zum Ende durch und verkündete das Reich Gottes, welches in Ihm gekommen war.
In seiner Nachfolge ist uns dasselbe aufgetragen: Das Reich Gottes unerschrocken zu verkünden, aber doch wissend, in welche Welt es hineingetragen wird. Wir müssen mit Widerstand bis hin zu Verfolgungen rechnen und dürfen nicht in einer falschen Offenheit und Naivität dieser Welt begegnen. Doch sollte uns der zu erwartende Widerstand nicht verzagen lassen, denn der Herr, der die Seinen aus der Welt gerufen hat, wird sie nie verlassen (vgl. Mt 28,20).
Noch ein Hinweis: Morgen werden wir, wie im letzten Jahr, mit einer Reihe von Meditationen beginnen, die uns auf das große Pfingstfest, die Herabkunft des Heiligen Geistes, vorbereiten sollen. Es geht dabei um die Früchte des Heiligen Geistes, die unserem geistlichen Leben einen besonderen Glanz verleihen wollen. Wir laden Sie herzlich ein, diese Reihe zu verfolgen und gerne auch mit anderen zu teilen.