Heute setzen wir die Betrachtung vom gestrigen Tag fort.
Wir wissen um die Not vieler Ehepaare und um die schwierigen Umstände, unter denen manche Ehen geschlossen wurden. Die Kirche wendet sich aber auch jenen als Mutter zu, deren Ehe aus den verschiedensten Gründen gescheitert ist und die eine neue Verbindung eingegangen sind. Die Kranken brauchen den Arzt, nicht die Gesunden, ruft uns Jesus im Evangelium zu (vgl. Mt 9,12).
Wenn sich Katholiken in einer solchen Situation befinden, sich aber danach sehnen, mit dem Herrn und der Kirche in ganzer Einheit zu stehen und dies im Empfang der heiligen Kommunion bezeugen wollen, dann gibt es für sie zwei Wege:
- Indem sie die sexuelle Dimension der zweiten Verbindung aufgeben und sich räumlich trennen. Das kann selbstverständlich ein schmerzhafter Prozeß sein, denn durch die sexuellen Akte sind bereits tiefe Bindungen entstanden. Wenn man nicht mehr in die bestehende sakramentale Ehe zurückkehren kann, ist man gerufen, in Keuschheit den Weg mit Gott zu gehen.
- Die Kirche kennt noch einen weiteren Weg, z.B., wenn aus der zweiten Verbindung Kinder hervorgegangen sind. Dann besteht die Möglichkeit, weiterhin zusammenzuleben, jedoch wie Bruder und Schwester, d.h. unter Verzicht auf die sexuelle Dimension der Beziehung.
Es besteht eine klare innere Logik, da auf diese Weise das bestehende Eheband nicht verletzt wird und der Betroffene objektiv der Umkehrforderung des Evangeliums entspricht und wieder in den Stand der Gnade zurückkehrt.
So besteht von neuem die Möglichkeit, die heilige Kommunion zu empfangen, weil man der göttlichen Weisung des Herrn in Bezug auf die Ehe folgt.
Eine Zulassung zur heiligen Kommunion, ohne der Umkehrforderung des Herrn zu entsprechen, würde Ärgernis erregen und zur Verwirrung der anderen Gläubigen beitragen.
Manche Kreise in der Kirche halten diese Regelung für zu legalistisch und meinen, man müsse jeden einzelnen Fall prüfen, da es sein könne, daß nur wenig oder so gut wie gar keine Schuld vorliegt, wie der Einzelne in eine solche Situation hineingeraten ist. Ein begleitender Priester solle den Einzelfall prüfen und dann die Entscheidung dem Gewissen der Betroffenen überlassen. Es gäbe auch Situationen, in denen die Ungültigkeit der Ehe aus bestimmten Gründen gar nicht mehr festgestellt werden könne, aber dennoch eine moralische Gewißheit bestehe, daß sie nie existiert habe. Man will darin einen Akt der Barmherzigkeit Gottes sehen und eine neue Möglichkeit schaffen, den Menschen entgegenzugehen und ihnen die heilige Kommunion »als Heilmittel« zu spenden.
Allen diesen Überlegungen ist gemeinsam, daß man Menschen wieder zur Kommunion zulassen will, ohne daß die zweite Verbindung aufgelöst oder der Forderung nach Enthaltsamkeit entsprochen wird. Diese Sicht wird von einigen als eine Weiterentwicklung der Lehre und als »pastorale Praxis der Barmherzigkeit« angesehen.
Andere sehen in einem solchen Weg jedoch einen Verstoß gegen die Lehre der Kirche und betonen die Gültigkeit des bisherigen Umgangs mit diesem Thema, welcher der Lehre der Kirche entspreche, und wollen diesen neuen pastoralen Weg nicht mitgehen. Es soll nicht verschwiegen werden, daß dies zu nicht unerheblichen innerkirchlichen Spannungen führt und ganze Bischofskonferenzen zu unterschiedlichen Auffassungen über dieses Thema gekommen sind.
Das Ziel einer seelsorgerlichen Begleitung kann ja nur sein, daß betroffene Menschen den Weg finden, der sie auch objektiv wieder ein Leben im Stand der Gnade führen lässt. Auch wenn die persönliche Schuld sehr gering sein mag, ist doch der fortgesetzte sexuelle Akt mit einer anderen Person als der legitimen Ehefrau oder dem legitimen Ehemann eine Täuschung und eine Verletzung der Wahrheit der Ehe. Echte Barmherzigkeit muß diese Dimension einbeziehen, denn sie hat nicht nur die persönliche seelische Not, der abgeholfen werden soll, im Blick, sondern besonders auch die transzendente Bestimmung des Menschen, und deshalb kann die objektive Wahrheit nicht unterbelichtet oder gar ausblendet werden!
Selbst wenn der seltene Fall eintreten sollte daß man mit moralischer Gewißheit von der Ungültigkeit der Ehe ausgehen kann, ist es wichtig, jene zweite Dimension im Auge zu behalten, die darin besteht, bei anderen Gläubigen kein Ärgernis zu erregen.
Die katholische Kirche hat hier ein hohes Gut zu schützen, denn sie ist die einzige große Glaubensgemeinschaft, die seit jeher die Heiligkeit der Ehe gegen alle Versuche, sie zu schwächen, verteidigt hat. Dies ist eine große Aufgabe in unserer Zeit, in der es so viele ungeordnete Beziehungen gibt, und eine große Herausforderung, dem Willen Gottes ohne Einschränkungen und Abstriche zu entsprechen und dies auch nach außen zu bezeugen.
Gewiß dürfen wir mit der Barmherzigkeit Gottes rechnen, wenn wir hinter dem großen Ziel zurückbleiben, in völliger Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu leben. Doch dürfen wir das Ziel nicht aufgeben und müssen uns aufrichtig darum bemühen. Die Welt braucht dieses eindeutige Zeugnis gerade auch dann, wenn sie andere Wege eingeschlagen hat und weit von den Geboten Gottes entfernt lebt.