Apg 4,32-37
Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte. Auch Josef, ein Levit aus Zypern, der von den Aposteln Barnabas, das heißt übersetzt Sohn des Trostes, genannt wurde, verkaufte einen Acker, der ihm gehörte, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
Wir hören heute von einem wunderbaren Werk des Heiligen Geistes. Die neu entstandene Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele, d.h. sie waren so in der Liebe zu Gott und untereinander verbunden, daß sie, vom selben Geist geführt, eine tiefe Einheit bildeten, wie sie nur Gott schenken kann. Es war eine Gemeinschaft, die nicht durch die Bande des Blutes entstand, sondern durch das gemeinsame Hören auf den Willen Gottes, das Erkennen Jesu als den Gottessohn und die Bereitschaft, seinen Willen zu tun.
Die Einheit, die zwischen den göttlichen Personen besteht, hatte sich auf die Gläubigen ausgebreitet: “reiche Gnade ruhte auf ihnen allen”. Eine solche Gemeinschaft unter Menschen schenkt schon einen kleinen Ausblick auf die Gemeinschaft, die im Himmel vollendet sein wird, wenn Gott, Engel und Menschen eine unzerstörbare Liebeseinheit bilden, in der jeder dem anderen in Freude dient und die Qualität seiner eigenen Gotteserkenntnis dem anderen öffnet.
Diese Liebe zu Gott und zueinander brachte das herrliche Werk des Heiligen Geistes zum Vorschein, alles miteinander zu teilen. Ein Geschehen in ganzer Freiwilligkeit, nicht etwa wie es bei späteren Versuchen häufig der Fall war, wenn man künstlich eine Gleichheit schaffen wollte, die dann in der Regel in Ungerechtigkeit mündete, wie z.B. im Kommunismus. Eine Inspiration, die vom Heiligen Geist kommt, die also eine Frucht der Liebe ist, muß – wenn sie ideologisch motiviert ist – eine Verzerrung bis hin zum Gegenteil erfahren. Ihr fehlt die göttliche Liebe, welche die tragende Kraft ist. Diese kann nicht durch einen rein menschlichen Willen ersetzt werden, selbst wenn dieser auf das Gute ausgerichtet sein sollte. Dies ist ein Vorgang, der in der Geschichte der Menschheit immer wieder zu beobachten ist. Wenn nicht die Inspiration des Heiligen Geistes vom Streben nach Heiligkeit begleitet ist, dann setzen sich die Neigungen der menschlichen Natur wieder durch und man kann den Herausforderungen dieser hohen Lebensweise auf Dauer nicht entsprechen.
In unserem Text – aus der Frühgeschichte der christlichen Gemeinschaft – entstand eine neue Art von Gerechtigkeit. Nicht mehr die Sicherung des eigenen Besitzes und dann die Sorge um den anderen Menschen standen im Vordergrund, sondern der Blick auf alle und auf den Einzelnen. Jeder bekam das, was er nötig hatte. Ist dies begleitet von einer christlichen Einfachheit, dann glänzt ein solcher Weg umso mehr! Wenn die Gemeinschaft ein Herz und eine Seele ist, dann wird sie auch erkennen, daß es unterschiedliche Bedürfnisse geben kann, die nicht aus dem Egoismus kommen, sondern aus den Lebensumständen.
Welch eine Großtat des Heiligen Geistes!
Diese Lebensweise versuchte man später immer wieder nachzuahmen, besonders in den entstehenden geistlichen Gemeinschaften der Klöster. Das reicht bis in unsere Tage hinein, sowohl in den bestehenden Orden, als auch in manchen neueren Gemeinschaften. Es ist nicht immer leicht, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, weil die menschliche Natur sich leicht im Besitz Sicherheit verschaffen möchte und ein Streben nach Heiligkeit als Grundlage braucht, um die natürlichen Neigungen zu zügeln. Doch strahlt ein Gemeinschaftsbesitz, der auf der Ebene der Freiwilligkeit und der Liebe existiert, immer noch dieses Licht aus, das in der Urgemeinde leuchtete.
Inmitten dieser neuen Lebensweise der entstandenen geistlichen Familie verkündeten die Apostel mit großer Kraft die Auferstehung des Herrn. So war es kein Wunder, daß das viele Menschen angezogen hat. Hörten sie doch das vollmächtige Wort der Apostel in der Kraft des Heiligen Geistes und hatten das Beispiel eines vorbildlichen christlichen Lebens vor sich, im vollen Glanz der ersten Liebe. Wort und Lebenszeugnis stimmten überein.
Das Beispiel der Urgemeinde als eine Frucht des Heiligen Geistes ist heute noch auf verschiedene Weise wirksam. Dort, wo die christliche Gemeinde ihren Blick und ihr Herz sowohl für die eigenen Armen als auch für die Nöte der universalen Menschheit offenhält, wirkt der Heilige Geist und lädt ein zu teilen. Wenn dies erfolgt, ist der Geist der Urgemeinde wirksam und wird auch immer wieder Beispiele dieser ursprünglichen Verwirklichung der freiwilligen Gütergemeinschaft hervorbringen.