Wir fahren mit dem Thema von gestern fort. Es geht primär um die Worte Jesu, die wir gestern im Tagesevangelium hörten:
“Jesus sagte: Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.”
Mit der Bereitschaft, die eigenen Tiefen vor dem liebenden Herrn wahrzunehmen, erwächst ein doppelter Realismus: Man erkennt sowohl die “dunkle Seite” in sich, gleichzeitig aber begegnet man der Barmherzigkeit Gottes. So verstehen wir, daß uns Gott nicht wegen der Unreinheit, die aus dem Herzen kommt, zurückweist und straft, sondern daß sich seine Liebe auf den Weg gemacht hat, Licht in die Finsternis zu bringen (vgl. Joh 1,5a).
Es gilt jetzt nicht den Schatten etwa zu integrieren – wie es z.T. in der Tiefenpsychologie vorgeschlagen wird – und ihn als Teil der Persönlichkeit zu betrachten. Das kann nicht der Weg zur Verwandlung des Herzens sein. Eine richtige Sicht der “Integration des Schattens” ist die Anerkennung der Tatsache, daß es diese Abgründe im Herzen gibt und daß sie nicht verdrängt werden sollen. Der Schatten jedoch gehört nicht wesentlich zum Menschen, sondern ist die Verformung seines eigentlichen Wesens, das Erbgut des “alten Adam”, der – von Gott abgewandt – unter die Herrschaft der Sünde geraten ist (vgl. Röm 5,12). Er verzerrt das Bild Gottes, was Gott aber in seiner Güte wiederherstellen möchte. Für diesen Prozeß ist die Reinigung des Herzens wesentlich.
Deshalb muß es eine klare Willensentscheidung geben, nichts in sich zu dulden, zu relativieren usw., was nicht der Liebe und der Wahrheit entspricht. Man braucht dabei nur an das Wort Jesu zu denken, daß die Sünde des Ehebruchs schon mit der Begierlichkeit des Blickes und nicht erst mit der Tat beginnt (vgl. Mt 5,27-28), um sich klar zu machen, daß man sich keine “Schlupflöcher” suchen darf.
Auf dem Weg zu einem reinen Herzen können wir keine Kompromisse machen, keine Halbheiten dulden. Für diese klare Entscheidung ist die sog. erste Bekehrung Voraussetzung, denn wir betreten nun den Weg zur zweiten Bekehrung, der sog. Herzensbekehrung.
Diese Willensentscheidung, die wir klar und bewußt zu treffen und aufrecht zu erhalten haben, ist unser wesentlicher Beitrag, daß die Umwandlung des Herzens geschehen kann. Allein, sie ist nicht genug, besonders angesichts unserer menschlichen Schwächen, die dem Herrn wohlbekannt sind. Das Hauptwerk der inneren Umwandlung geschieht durch die Gnade Gottes. Deshalb gibt es zwei bedeutsame Worte der Heiligen Schrift: “Schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist!” und “Ich schenke euch ein neues Herz” (Ez 36,26).
Der konkrete Weg ist, daß ich alles, was ich in mir entdecke und was nicht mit dem Weg des Herrn übereinstimmt, im Gebet zu Gott zu trage. Aufgrund unserer weitgehenden Blindheit für die eigenen Fehler und falschen Haltungen gilt es immer wieder den Heiligen Geist zu bitten, uns zu zeigen, was noch der Verwandlung bedarf, was nicht mit dem Weg der Heiligkeit übereinstimmt.
Kehren wir zu den bösen Gedanken zurück, welche Jesus im gestrigen Evangelium als ersten Punkt der Aufzählung benennt.
Steigen sie aus unserem Herzen auf, dann gilt es unmittelbar zu Gott zu beten, den Heiligen Geist anzurufen und ihnen so entgegenzutreten. Der Heilige Benedikt lehrt, daß wir die bösen Gedanken “am Felsen Christi zerschmettern” sollen.
Wichtig wäre zu beobachten, ob es um Gedanken geht, die immer wiederkehren. Das würde darauf hinweisen, daß es nicht nur einfach Attacken sind, möglicherweise satanische, sondern daß sie tiefer in uns sitzen und mit bestimmten Gefühlen verbunden sind. Wenn wir das wahrnehmen, dann reicht es in der Regel nicht aus, sie ein Mal entschieden zurückzuweisen, sondern wir müssen sie ausdauernd und immer wieder zum Herrn tragen – vielleicht vor dem Tabernakel – und ihn um Heilung und Befreiung bitten.
Nehmen wir ein Beispiel: Immer wenn ich eine bestimmte Person sehe, steigen in mir böse Gedanken und Gefühle auf. Ich weiß inzwischen, daß diese Gedanken falsch sind und gegen die Liebe verstoßen und kämpfe gegen sie. Es gelingt mir auch, die Gedanken zu verscheuchen, was in sich schon einen Sieg bedeutet. Doch kommen sie immer wieder – fast jedes Mal, wenn ich diese Person sehe.
Das ist ein Hinweis dafür, daß ich noch im Herzen etwas gegen die Person trage, ihr vielleicht nicht verziehen habe, ihr etwas nachtrage usw. Deshalb ist es nötig, diese inneren Empfindungen dauerhaft zu Gott zu bringen, sie vor ihm auszusprechen, mit ihm ins Gespräch darüber zu treten, ihn zu bitten, diese Empfindungen durch den Heiligen Geist zu heilen und mich von ihnen zu befreien.
Hier wirke ich dann auf zwei Ebenen. Einmal ist es die aktuelle: das sind die bösen Gedanken, die ich nicht zulasse und von denen ich mich willentlich abwende. Die zweite Ebene ist die tieferliegende Dimension: die bösen Gedanken und Gefühle haben sich im Herzen vielleicht schon länger festgesetzt. Die aktuelle Anfechtung gegen die andere Person kann auf dieses Potential, wenn es nicht vom Herrn befreit und geheilt wird, quasi immer zurückgreifen.
Wird fortgesetzt.
Hinweis:
Ich habe das Thema “Umgang mit den Gedanken” eigens schriftlich behandelt und man kann dies im Archiv meiner Website nachlesen:
https://elijamission.net/?s=Askese+der+Gedanken
Zu diesem Themenkomplex gehört auch mein Videovortrag auf YouTube über die Selbsterkenntnis (allerdings nur in spanisch-englisch verfügbar):