Mt 10,1-7
Jesus rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen. Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes, Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn später verraten hat. Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
Die Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen, wurde vom Herrn nicht nur damals seinen Jüngern verliehen, sondern gehört zur Grundausstattung all derer, die dem Herrn nachfolgen. Gewiß, die Gaben sind unterschiedlich verteilt, wie es der Heilige Paulus im Korintherbrief schildert:
“Gott hat in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die andern als Propheten, die dritten als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Wunder zu tun, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Wunder zu tun? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle mit Zungen? Können alle auslegen?” (1 Kor 12,28-30)
Es ist von großer Bedeutung, die uns anvertrauten Gaben zu entdecken und sie zum Aufbau des Reiches Gottes einzusetzen. Denn sie sind wie ein geistliches Kunstwerk, welches die Kirche in ihrer Schönheit und Fruchtbarkeit erstrahlen läßt.
Die Austreibung unreiner Geister scheint ein etwas obskures Gebiet zu sein. Man erinnert sich, daß im Neuen Testament die unreinen Geister mit großem Geschrei ausfuhren (Mk 1,26) und mit Erlaubnis des Herrn sogar in die Schweine fuhren, die sich dann den Abhang hinabstürzten (Mt 8,30-32). Vielleicht waren wir auch einmal bei einem Gebetstreffen, bei dem Ähnliches geschah. All das wirkt eher unangenehm, und man hält sich gerne davon fern. Mir persönlich geht es in einer ersten Reaktion auf die Austreibung von Dämonen auch so. Doch dabei darf man nicht stehenbleiben. Es gibt auch Krankheiten, die abstoßend wirken. Dennoch kann eine solche Regung durch einen Akt der Liebe zum Kranken überwunden werden. Dasselbe sollten wir uns auch vergegenwärtigen, wenn gefallene Geister einen Menschen plagen und verwirren. Wer unter ihrem Einfluß steht, ist sehr arm dran und hat sich durchaus nicht immer mit freiem Willen dem Teufel verschrieben.
Ohne die Existenz solcher Geister zu leugnen, können wir sagen, daß sie eine Art »geistiger Krankheiten« verbreiten. Ihre Vertreibung ist somit ein Werk der Barmherzigkeit.
Nun ist es aber nicht jedem gegeben, einen Exorzismus bei einer von bösen Geistern geplagten Person durchzuführen. In der katholischen Kirche sind bestimmte Priester dazu autorisiert, in der apostolischen Vollmacht einen Exorzismus durchzuführen.
Es gibt jedoch viele exorzistische Gebete, die jeder sprechen kann. Papst Leo XIII. empfahl beispielsweise, nach jeder Heiligen Messe das Gebet zum Erzengel Michael zu beten.
“Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf. Gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels sei unser Schutz! Gott gebiete ihm, so bitten wir flehentlich! Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen, stürze den Satan und die anderen bösen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherschleichen, in der Kraft Gottes hinab in die Hölle! Amen.”
Angesichts der zunehmenden Dunkelheit und Verwirrung in der Welt – die leider auch in unsere Kirche eingedrungen sind – wäre es gut, wenn wir Christen bewußt diese Dimension unseres Glaubens wiederentdecken würden, um der Dunkelheit entgegenzuwirken. Jedes Gebet in dieser Absicht schwächt die unreinen Geister und wir übernehmen bewußt Verantwortung für jene, die unter ihrem Einfluß stehen. Wir können die Wirkung eines solchen Gebets vielleicht nicht persönlich wahrnehmen, doch im Glauben wissen wir, daß es eine Waffe in der Hand des Herrn ist, die er sehr genau einzusetzen weiß.
Wie uns das heutige Evangelium lehrt, gibt der Herr den Jüngern die Vollmacht, Dämonen auszutreiben; sie erhalten somit Anteil an seiner Vollmacht. Aus dieser Perspektive ist jedes exorzistische Gebet die Ausübung der Vollmacht Christi über die Mächte der Finsternis.
Wenn wir diese Überlegungen an uns herankommen lassen, sehen wir, daß wir unguten Entwicklungen, die erkennbar antichristlichen und satanischen Charakters sind, durchaus nicht hilflos ausgeliefert sind. Durch das Gebet in der Vollmacht des Herrn können Festungen geschleift und illegitime Machtstrukturen zu Fall gebracht werden: “Er stürzt die Mächtigen vom Thron” (Lk 1,52).
Die Vertreibung böser Geister hängt unmittelbar mit dem Kommen des Reiches Christi zusammen, das sich auf der Erde ausbreiten soll. Wie wir im Glauben wissen, ist der Bereich des Himmels von diesen Geistern gereinigt (Apk 12,7-8), und sie versuchen nun, die Menschen zu verführen und auf der Erde »das Reich des Tieres« zu errichten. Das bedeutet nichts anderes, als daß Satan die Weltherrschaft ergreifen will. Durch unsere konsequente Nachfolge Christi, die bewußte Annahme des geistlichen Kampfes, durch Werke der Liebe und nicht zuletzt durch unser Gebet widersetzen wir uns dem Plan der Finsternis und dienen dem Herrn, der diese Welt von der Macht des Bösen befreien und erlösen möchte.