An der Schwelle im Haus Gottes stehen

Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht
nach dem Tempel des Herrn.
Mein Herz und mein Leib jauchzen ihm zu,
ihm, dem lebendigen Gott.

Auch der Sperling findet ein Haus
und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen –
deine Altäre, Herr der Heerscharen
mein Gott und mein König.

Wohl denen, die wohnen in deinem Haus,
die dich allezeit loben.
Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir;
Wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten.

Denn ein einziger Tag in den Vorhöfen deines Heiligtums
ist besser als tausend andere.
Lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes
als wohnen in den Zelten der Frevler.

Die große Liebe ist im Psalmisten erwacht. Seine Seele ist “krank vor Liebe” (Hld 2,5), weil sie nicht in der ganzen Vereinigung mit Gott leben kann. Sie verzehrt sich vor Sehnsucht, denn alles in ihr streckt sich nach Gott aus. Zugleich jauchzt die Seele Gott zu, der ihr begegnet ist und sie mit seiner Liebe betört hat.

Es ist etwas sehr Süßes und ein unendliches Glück, diese Liebe zu erleben. Niemand sonst vermag die Seele zu erfüllen und alles in ihr zur Vollendung zu bringen als Gott allein. Um dieser Liebe willen kann man alles verlassen (vgl. Mk 10,21). Die Geschöpfe, so schön und heilsam sie auch sein mögen, sind nur Zeugen, Zeugen dessen, der die Liebe selbst ist (1 Joh 4,16). Der Heilige Augustinus beschreibt seine Suche nach Gott folgendermaßen:  “Ich fragte Himmel, Sonne, Mond und Sterne und sie antworteten: Auch wir sind nicht Gott, den du suchest. Da sprach ich zu allen, welche umgeben die Pforten meines Fleisches: Ihr sagt mir nur von meinem Gott, daß ihr es nicht seid, sagt mir doch etwas über ihn. Und sie riefen mit erhobener Stimme: Er hat uns gemacht.” (Bekenntnisse, 10,6)

Die zur Gottesliebe erwachte Seele möchte allezeit bei ihrem Geliebten sein. Sie kann sich nicht vorstellen, auch nur einen einzigen Tag von ihm getrennt zu sein. Lieber möchte sie den letzten Platz im Tempel Gottes einnehmen, als bei den Frevlern zu wohnen. Jeder Moment bei Gott ist ihr unendlich viel wert: “Ein einziger Tag in den Vorhöfen deines Heiligtums ist besser als tausend andere.”

Das ist die Sprache der Liebe, die alle Hindernisse überwinden will, um bei dem Geliebten zu sein.

Wie wahr sind diese Worte auch für uns Christen!

Ist es nicht unvergleichlich besser, bei Jesus zu stehen und ihn zu grüßen, auch wenn es aus weitester Entfernung geschieht, als die Seele vom unsinnigen Taumel dieser Welt verwirren zu lassen? Ist es nicht besser, an der Pforte zum Himmelstor den einfachsten Dienst zu tun, als in einer frevelhaften Welt etwas zu gelten und am Ende an den Ort verwiesen zu werden, an dem “Heulen und Zähneknirschen” (Mt 25,30) sein wird?

Vielleicht spüren wir im Herzen nicht einen so hohen Aufschwung wie der Psalmist und können die Worte nicht mit der gleichen Glut aussprechen. Doch sollten wir uns davon nicht entmutigen lassen. Wir können den Herrn bitten, uns zu einer solchen Liebe zu erwecken, daß wir ihm nichts mehr vorziehen und wirklich für ihn brennen, damit diese Glut unser ganzes Leben erfaßt.

Auch wenn wir uns nicht besonders von der Liebe entzündet fühlen, können wir dem Herrn auf verschiedene Weise unsere Liebe erweisen. Der erste und größte Erweis unserer Liebe ist das treue Einhalten seiner Gebote: “Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt” (Joh 14,21), sagt uns Jesus.

Wir zeigen ihm unsere Liebe auf vielerlei Weise: in der treuen und aufopferungsvollen Bereitschaft, unsere Standespflichten zu erfüllen, im Dienst am Nächsten, in der Treue und im Ausharren: “Du hast mein Gebot bewahrt, standhaft zu bleiben; daher werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über die ganze Erde kommen soll, um die Bewohner der Erde auf die Probe zu stellen.” (Apk 3,10).

Auch wenn wir uns innerlich kalt und distanziert fühlen, sollten wir nicht verzweifeln und denken, wir seien nicht fähig zu lieben. Halten wir dem Herrn unser kaltes Herz hin und sagen wir unserem Vater, daß wir ihn lieben und als seine Kinder leben wollen. Gott wird dann auf unsere Absicht schauen und unser Bemühen schon als Akt der Liebe betrachten.

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