Mt 17,22-27
In jener Zeit, als Jesus und seine Jünger in Galiläa zusammen waren, sagte Jesus zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag wird er auferstehen. Da wurden sie sehr traurig. Als Jesus und die Jünger nach Kafarnaum kamen, gingen die Männer, die die Tempelsteuer einzogen, zu Petrus und fragten: Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht? Er antwortete: Doch! Als er dann ins Haus hineinging, kam ihm Jesus mit der Frage zuvor: Was meinst du, Simon, von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten? Als Petrus antwortete: Von den anderen!, sagte Jesus zu ihm: Also sind die Söhne frei. Damit wir aber bei niemand Anstoß erregen, geh an den See und wirf die Angel aus; den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib den Männern als Steuer für mich und für dich.
Jesus gibt uns hier im Evangelium eine wunderbare Lektion über die Freiheit. Heute ist es eine doppelte Lektion. Zunächst erklärt der Herr, daß Petrus und er in Bezug auf den Einzug von Zöllen und Steuern eigentlich frei seien und diese nicht zu bezahlen hätten. Nach dieser Klarstellung nimmt der Herr jedoch Rücksicht auf das zu erwartende Unverständnis und erklärt in einer Anwendung der »zweiten Freiheit«, daß sie trotzdem die Steuern bezahlen.
Diese Stelle aus dem Evangelium erinnert sehr an ein Wort des heiligen Paulus über den Umgang mit dem Götzenopferfleisch (vgl. 1 Kor 8,4ff). Die Christen konnten seinerzeit ihr Fleisch nur auf dem Markt der Heiden einkaufen. Dieses Fleisch aber war den Götzen geweiht. Nun stellt Paulus klar, daß die Götzen an und für sich »Nichtse« sind (vgl. Ps 96,5) und die Christen deshalb das Fleisch kaufen könnten, zumindest diejenigen, die diese Erkenntnis haben. Dennoch nimmt Paulus auch die anderen in den Blick, die durch den Erwerb eines solchen Fleisches in Gewissenskonflikte geraten würden, weil sie noch nicht zu der Erkenntnis gelangt sind, von welcher der Apostel hier spricht. Die liebende Konsequenz ist, daß Paulus rät, auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, deren Gewissen schwach ist, und somit auf den Erwerb des Götzenopferfleisches zu verzichten.
Das ist die Anwendung einer Freiheit aus Liebe zum Bruder. Sie geschieht nicht, weil man etwa aus Angst vor dem Urteil anderer Menschen die innere Freiheit unterdrücken würde, sondern man verzichtet im Sinne einer Rücksichtnahme auf die Anwendung seiner Freiheit. Wir könnten sie die »Freiheit der Liebe«, nennen, während wir die erste Freiheit als eine »Freiheit der Wahrheit« bezeichnen würden.
Das ist ein wichtiger Vorgang, um unsere Freiheit als Kinder Gottes zu bewahren, und um zu vermeiden, daß wir uns durch Menschenfurcht knechten lassen.
Zunächst prüfen wir also die gegebene Situation im Licht der Wahrheit, um die richtige Sicht zu bekommen. Dann schauen wir, wie das Erkannte umgesetzt werden soll, denn nicht immer können wir sofort gemäß unserer Erkenntnis handeln, sondern haben die Umstände miteinzubeziehen.
Oft geschieht gerade dieser Vorgang nicht genügend. Man sollte dabei zwei Gefahren beachten: Einmal die der Rücksichtslosigkeit, wenn wir nur unserer Erkenntnis folgen und nicht die Umstände miteinbeziehen. Anderseits besteht die Gefahr der Skrupelhaftigkeit, wenn wir ständig unsere persönliche Freiheit wegen eines tatsächlichen oder vermeintlichen Urteils anderer Menschen unterdrücken.
Ein einfaches konstruiertes Beispiel: Nehmen wir an, daß es für mich persönlich schön ist, wenn ich ab und zu einmal ein Bier trinken kann. Wenn das Trinken nicht ausartet, dann gibt es keinerlei Einwände und ich kann selbst entscheiden, wann und wie ich es für richtig halte. Jetzt komme ich aber in die Gesellschaft von Menschen, für die das Biertrinken eine Gefahr bedeutet, weil sie Probleme mit dem Alkohol haben oder vielleicht der Alkohol kulturell oder religiös bei ihnen verpönt ist. In einem solchen Fall ist es rücksichtsvoll und angebracht, auf den Genuß des Alkohols um der anderen Menschen willen zu verzichten. Das tue ich aber nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen bekomme, sondern um ihretwillen, und somit behalte ich nicht nur meine Freiheit, bei einer anderen Gelegenheit ein Bier zu trinken, sondern aktiviere meine Freiheit konkret in der oben beschriebenen Situation, auf etwas verzichten zu können, um keinen Anstoß zu erregen.
Dieses Beispiel kann auf viele Situationen übertragen werden. Eine Sache sollte dabei noch bedacht werden, um die Gabe der Freiheit nicht zu beeinträchtigen und die rechte Liebe zu praktizieren:
Es kann sein, daß man Menschen begegnet, die in ihrem Leben sehr unfrei sind. In ihrer Gegenwart gibt es keine oder wenig Selbstverständlichkeit des Seins, d.h. man ist versucht, ständig auf den anderen Rücksicht zu nehmen, und das erwartet er vielleicht auch. Das würde auf Kosten unserer inneren Freiheit gehen! Der Umgang mit solchen Menschen muß anders sein. Es empfiehlt sich, in diesem Fall jede Situation genau zu prüfen, um zu sehen, in welcher es richtig ist, zu verzichten, und in welcher nicht. Den Unfreiheiten anderer Menschen zu dienen, hilft weder ihnen – weil die Unfreiheit bestehen bleibt und nicht thematisiert wird und daher auch gar nicht überwunden werden kann – noch uns selbst, die wir in einem solchen Fall immer weniger freiwillig auf den anderen Rücksicht nehmen würden. Um solch schwierige Situationen zu bewältigen, ist es gut, den Heiligen Geist anzurufen und um den Geist des Rates zu bitten, das Richtige zu erkennen und es in rechter Weise umzusetzen.