Themen des geistlichen Lebens: GEBETSLEIDEN (TEIL 1)

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Wer sich ernsthaft auf den Weg des Gebetes begibt, d.h. wer nicht nur gelegentlich und bei besonderen Anlässen, z.B. in großer Not betet, der wird merken, daß das Gebet ihn nicht immer einfach nur trägt, sondern daß es Leiden gibt, welche das Gebet sogar anstrengend machen. Es hat mit der Trägheit unserer menschlichen Natur zu tun, mit Reinigungsprozessen, natürlich auch mit verschiedenen Anfechtungen und Versuchungen, die uns leicht mutlos machen könnten. Es kann sogar so weit gehen, daß man geneigt ist, am Sinn des Gebetes zu zweifeln, weil Gott einen scheinbar nicht erhört und das Gebet so gut wie keine Freude macht. Die Seele ist in Gefahr, den “mühseligen Umgang” mit Gott wieder aufzugeben.

Zunächst sei gesagt, daß der Mensch sich an das Gebet gewöhnen muß. Zwar gibt es Phasen, in denen es für uns leicht ist, weil wir Freude daran haben, »nach Hause« zu kommen, wo wir mit religiösen Gefühlen beschenkt werden, welche uns beglücken. Doch auf lange Sicht hin gesehen braucht es Disziplin und Durchhaltevermögen, um ein regelmäßiges Gebetsleben zu führen. Wie immer gibt es Ausnahmen; manchen Menschen fällt das Gebet leicht. Doch die Regel dürfte eher das zuvor Erwähnte sein.

Ein Abt eines Trappistenklosters sagte einmal zu mir: “Es ist leichter, die Mönche zur Arbeit zu rufen als zum Gebet!”

Warum ist das so? Weil die Arbeit – wenn wir nicht gerade träge sind – unserer menschlich-sinnlichen Natur näherliegt. Man kann leichter die Früchte sehen und weiß, was man getan hat. Das Gebet – und besonders das stille Gebet – kann oft nichts Sichtbares vorweisen. Wir tun es im Glauben und in der Hoffnung auf Fruchtbarkeit und aus Liebe zum Herrn.

Hinzu kommt, daß das Gebet mehr auf unsere geistige Natur hingerichtet ist und diese braucht eine besondere Formung, weil sie leicht abgleitet und – wie wir schon betrachtet haben – sich gerne von äußeren Gegebenheiten ablenken läßt. Alles, was unsere Sinne berührt, zieht uns schnell in seinen Bann und wir gleiten vom Wesentlichen ab, nämlich einfach beim Herrn zu verweilen.

Das Thema der »Gebetsleiden« ist sehr weitläufig, denn sie können unterschiedlichsten Charakters sein und man muß sie genau betrachten, damit die richtigen Hilfen angewendet werden können.

Einige Hilfestellungen: Eine Grundvoraussetzung ist jedoch, daß man nicht freiwillig das Gebet vernachlässigt und sich ungeordnet weltlichen Vergnügungen hingegeben hat, denn in einem solchen Fall wären die Gebetsleiden die Folge von Nachlässigkeiten.

Unfreiwillige Zerstreuungen:

Das sind Leiden, die uns als Konsequenz der Zerstreutheit unserer Natur begleiten. Sie sind nicht schuldhaft und können die Fruchtbarkeit des Gebets auch nicht mindern. Wir müssen natürlich darauf achten, daß wir all die Angebote, die unserer Phantasie und dem Erinnerungsvermögen gemacht werden, nicht einfach nachgeben und uns immer wieder beharrlich dem eigentlichen Gegenstand des Gebets zuwenden. Ertragen wir die Zerstreuungen in Geduld, so wächst als Frucht, daß die Seele gesammelter und in sich gekehrter wird. Legen wir die Zerstreuungen in die Hände Gottes! Wie gerne würden wir gesammelt beten! Wir leiden darunter, dem Herrn nicht die ganze Aufmerksamkeit geben zu können, die ihm doch zusteht. Doch lächeln wir einfach über unsere Armeseligkeit und nehmen sie aus der Hand des Herrn an! Überlassen wir es einfach Gott und sagen Ja zu unserer Begrenztheit und zu unserem Elend! Gott weiß, wie er trotz unseres beklagenswerten Zustands zu uns kommen und uns segnen kann. Sagen wir ihm einfach, daß wir ihn lieben und unser Herz ihm gehört!

Gefühllosigkeit:

Es kann geschehen, daß die innere Freude und die Süßigkeit des Gebets uns entzogen werden und stattdessen eine plagende Gefühllosigkeit eintritt. Gott mag uns durch die vorhergehende Süße angelockt haben. Doch jetzt läßt sie nach und die Seele fragt sich, was mit ihr los ist. Manche denken vielleicht – besonders zu Beginn des Weges -, daß sie etwas falsch gemacht haben, daß Gott sie nicht mehr liebt usw. Der Zustand der ersten Verliebtheit hört auf und ist noch nicht in eine dauerhafte Liebe übergegangen. So schön und vielleicht auch berauschend der Zustand der Verliebtheit sein mag, so ist er doch oft noch auf die eigenen Gefühle bezogen. Deshalb führt Gott die Seele jetzt anders und will eine starke Liebe heranreifen lassen. Jetzt gilt es Edelmut zu beweisen, den Willen Gottes um seinetwillen zu suchen und nicht etwa der Versuchung zu unterliegen, etwas »Vernünftiges und Praktisches« an diese Stelle zu setzen und das Gebet aufzugeben.

Jetzt ist unsere Treue gefragt! Indem wir dem Gebet treu bleiben, es nicht reduzieren, sondern eher mehr beten, wachsen im Dunkeln die göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe. Somit entfaltet sich die wahre Liebe und wir beginnen auf unserem Weg zu reifen.