Reflexionen zur Fastenzeit »Wüste, Schweigen und heilige Stille«

Gestern haben wir den Rat der Väter um den heiligen Antonius erwogen, daß durch Fasten und Nachtwachen, die unseren Geist beweglicher machen, die Vereinigung mit Gott schneller erreicht werden kann.

Diese Weisung ist – mit der entsprechenden »discretio« angewandt – ein vorzüglicher Rat, um im geistlichen Leben zu wachsen und im Kampf den Mächten des Bösen besser widerstehen zu können.

Ein weiterer Rat aus dem Kreis der Väter (wir erinnern uns: Es ging um das Thema, welche Tugend oder Übung einen Mönch vor den Fallstricken des Teufels bewahren und mit sicherem Schritt zum Gipfel der Vollkommenheit führen könne) betonte als Weg das Einsiedlertum, “denn wer in der Stille und Einsamkeit in der Wüste weile, könne zu Gott in geradezu familiärer Vertrautheit beten und ihm noch inniger anhangen”.

Gewiß ist hier die Gabe der »discretio« nötig, denn es haben ja Mönche zusammengesessen, die ihr Leben frei von familiären und weltlichen Verpflichtungen gestalteten. Doch können wir auch in anderen Lebensumständen den Sinn dieser Zurückgezogenheit erfassen und ihn an unsere persönliche Situation adaptieren. Dann werden wir verstehen, wie wertvoll dieser Rat ist, und uns erinnern, daß der Herr ja vor seinem öffentlichen Auftreten vierzig Tage in der Wüste verbrachte. In der Heiligen Schrift wird auch öfter berichtet, daß Jesus sich allein auf einen Berg zurückzog, um zu beten (z.B. Lk 6,12).

Sicher ist die physische Wüste mit ihrer heilsamen Stille und der Abwesenheit vieler sinnlicher Reize ein vorzüglicher Ort der Gottesbegegnung. Da dies aber nur für wenige Menschen möglich ist, wird der Herr andere Umstände schenken, damit die Frucht einer solchen Lebensweise nicht verloren geht.

Die Väter sprechen davon, daß man in der Wüste in familiärer Vertrautheit zu Gott beten und dadurch inniger mit ihm vereint sein könne. Das ist also das Ziel. Es kann aber auch ohne den physischen Ort der Wüste erreicht werden, wenn wir uns zum Gebet in die Stille zurückziehen. Das kann an verschiedenen Orten geschehen, wobei geheiligte Orte immer vorzuziehen sind, aber es ist keine Bedingung.

Vielmehr ist es die Stille und das Schweigen, das uns hilft, uns ganz auf Gott auszurichten. Es ist in diesem Fall auch nicht das liturgische Gebet, in das wir eintreten, sondern wir treten in den vorhandenen Raum der Stille ein, in dem Gott einfach direkt zu uns sprechen kann. Das Herzensgebet eignet sich dazu, in diese Stille einzutreten und in ihr zu verweilen. In gewisser Weise bereitet dieses stille Verweilen vor dem Herrn den Raum der Kontemplation.

Wir sind ja mehr oder weniger ständig von Lärm umgeben, so daß die bewußte Suche nach der Stille im Herrn unserer Seele großen Frieden schenken und die Dankbarkeit gegenüber Gott erwecken wird. Man kann sich kaum vorstellen, wie sehr eine regelmäßige Stille im Herrn, die allerdings häufig erst erlernt werden will, eine ganz andere Seite in der Seele wach werden läßt: eben jene, die sich nach dem Herzensaustausch mit Gott sehnt.

Mit dieser »Wüste« ist das Schweigen insgesamt verbunden:

Es ist sehr ratsam, wenn man sein geistliches Leben vertiefen will, der Einladung zum Schweigen zu folgen. So wie man eifersüchtig darüber wachen sollte, die Zeiten des Gebetes nicht zu versäumen, so sollte man auch darauf achten, daß es Zeiten gibt, die der Stille, dem stillen Gebet und dem Schweigen gewidmet sind.

Wenn sich die Seele auf diesen Weg begibt, wird sie leichter zur Tiefe ihres Seins erwachen; sie wird besser unterscheiden können, was wichtig und weniger wichtig ist. Sie gewinnt eine gewisse Distanz zu dem, was sie umgibt und was auf sie einströmt. Stattdessen eröffnet sich eine erneuerte Begegnung mit Gott. Hat sich die Seele erst einmal an das Schweigen gewöhnt, verlangt sie von selbst danach. Allerdings bedarf es, wie auch beim Gebet, einer bewußten Einübung, wenn wir uns nicht schon unserer natürlichen Neigung entsprechend, gerne in die Stille zurückziehen.

Wir sollten auch nicht vergessen, daß unsere Seele, durch Schweigen und Stille geformt und durch eine größere Gottverbundenheit beschenkt, auch im Dienst für die anderen Menschen behutsamer und weiser werden kann. So ist das rechte Schweigen nicht nur für das eigene geistliche Wachstum, sondern auch für den Dienst an anderen Menschen wichtig.

Die innere Verbindung von Stille und Schweigen wird sichtbar. Die Fähigkeit, auch schweigen zu können, ist eine allgemeine Einübung, hörender zu werden, mit seinen Gedanken besser umzugehen, sich auf den Herrn und das Wesentliche auszurichten. Das ist nicht leicht, denn jeder, der einmal eine längere Periode des Schweigens erlebt hat, merkt, wie viel Unruhe in ihm selbst ist, wie sich die Gedanken jagen, wie Phantasmen aufsteigen, wie sich vielleicht noch ungelöste innere Probleme melden und zu Gott getragen werden wollen. Man spürt auch stärker die innere Leere, wenn die äußere Betriebsamkeit einmal nachläßt.

Zugleich ist es aber auch eine Herausforderung, durch Stille und Schweigen den Herrn tiefer in uns eindringen zu lassen, um noch selbstverständlicher mit ihm verbunden zu sein. So wird der Rat der Väter, wenn wir ihn klug an unser Leben adaptieren, zu einer weiteren Hilfe, uns mehr im Herrn zu verankern, was für alles fruchtbar ist – sowohl unmittelbar für unser geistliches Leben, als auch für die Pflichten, die wir zu erfüllen haben.

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