Heute schauen wir auf eine der weniger bekannten heiligen Frauen der katholischen Kirche: die selige Stephana von Gex in Frankreich. Sie wuchs in einer calvinistischen Adelsfamilie auf. Zu dieser Zeit gab es oft noch große Spannungen zwischen verschiedenen protestantischen Gruppen und Katholiken. So wird berichtet: Stephana war ein freundliches und lustiges Mädchen, das allerdings so sehr im Irrglauben gefangen war, daß es voller Verachtung und Gehässigkeit die Gebräuche und Zeremonien unserer Kirche verspottete. Manchmal schlich sie sich in katholische Gotteshäuser, nur um darin ihren Mutwillen zu treiben. So wusch sie sich beispielsweise die Hände im Weihwasserbecken und verübte noch andere Unehrerbietigkeiten dieser Art.
Doch der Herr ließ Stephana nicht in dieser Verwirrung. Da es niemanden gab, der ihr gepredigt und ihr geholfen hätte, die Wahrheit zu erkennen, tat es der Herr selbst.
Als an einem Fronleichnamstag die Prozession stattfand, sah Stephana vom Haus ihres Vaters aus dem Zug zu. Da war es, als hätte Christus von der Monstranz aus einen Blick auf sie geworfen. Auf einmal ward ihre Seele von einem himmlischen Strahl erleuchtet, sodaß sie die Wahrheit der katholischen Religion und die Falschheit ihres bisherigen Glaubens ganz klar erkannte. Mit dieser Erkenntnis war ihr Herz augenblicklich entschlossen, um jeden Preis katholisch zu werden und eine eifrige Dienerin des Herrn zu sein. Sie rief innerlich mit dem Propheten: „Herr, bekehre mich, und ich will ganz dein sein.“
Stephana war durch diese gnadenhafte Erleuchtung so entzündet, daß sie auf Rat ihrer Freundinnen zu den Ursulinen ging und dort um Unterweisung bat. Doch es genügte ihr nicht, nur im katholischen Glauben unterwiesen zu werden; sie begehrte zugleich, die Welt zu verlassen und in einen Orden einzutreten. Die Ursulinen hatten einen guten Eindruck von ihr und sagten ihr eine Aufnahme zu, sofern die äußeren Bedingungen es erlaubten.
In ihrem Elternhaus stieß sie jedoch auf entschiedenen Widerstand. Dieser ging so weit, daß ihre Mutter einmal sogar mit dem Messer bedrohlich an der Tür stand.
Doch Stephana ließ nicht von ihrem Vorhaben ab. Mit der Gnade Gottes und mit viel Beharrlichkeit erreichte sie schließlich, daß die Mutter nachgab. Stephana wurde katholisch und trat in das Kloster der Ursulinen ein.
Dort erhielt sie eine strenge Schulung. Doch es erwartete sie noch eine Prüfung besonderer Art. Als ihre Mutter schwer krank wurde, schickte man sie vom Kloster aus zu ihr. Da viele Calvinisten, darunter auch Prediger, in die Wohnung ihrer Mutter kamen, mußte Stephana sich als einzige Katholikin gegen alle wehren. Das tat sie mit so großer Überzeugungskraft, sodaß ihr Glaube in diesen teilweise heftigen Auseinandersetzungen sogar noch gestärkt wurde.
Nachdem ihre Mutter genesen war, kehrte Stephana ins Kloster zurück und wurde nach dem Probejahr aufgenommen.
Sie zeigte sich als eifrige Ordensfrau und machte große Fortschritte im geistlichen Leben. Ihr Gewissen war so gottesfürchtig und zart, daß sie sich selbst wegen eines jeden Schattens einer Sünde schon beängstigte. Alles Kreuz und jede Widerwärtigkeit, die Gott ihr schickte, nahm sie in aller Geduld aus seiner Hand an. Im Leid zeigte sie sich ebenso als treue Dienerin des Herrn wie in der Freude und lebte in steter Vereinigung mit Gott. Das Auge ihres Geistes war nicht nur beim Gebet, sondern auch bei den verwirrendsten Geschäften und Verrichtungen unaufhörlich Gott zugewandt.
Immer war es Stephanas Herzensanliegen, daß alle, die noch in Irrlehren gefangen waren, den wahren katholischen Glauben finden. Sie nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um jenen, deren Glauben sie früher teilte, mit überzeugenden Worten die Wahrheit zu verkünden.
Mit 28 Jahren erkrankte sie schwer, und diese Krankheit führte schließlich auch zu ihrem Tod. Bevor sie starb, wollte sie noch ihre Eltern sehen und sprach mit ihnen sehr innig über den Glauben. Sie hatte viel für die Bekehrung ihrer Eltern gebetet und geopfert. Doch diese nahmen den katholischen Glauben nicht an. Dennoch zeigte sich, daß ihr Flehen zu Gott auf einem anderen Weg Erhörung fand. Zwei Kinder ihrer Geschwister fanden den Weg zum wahren Glauben.
Stephana starb am 30. Oktober 1659.
Mit zwei Überlegungen, die sich auf die heutige Zeit beziehen, möchte ich dieses Zeugnis abschließen.
Es ist gut, daß das Klima zwischen Protestanten und Katholiken, sowie zwischen Katholiken und orthodoxen Christen in der Regel nicht mehr von Feindseligkeit geprägt ist und es keine gegenseitigen Verwerfungen und Beschimpfungen gibt. Im Zuge des interkonfessionellen Dialogs kennen wir vonseiten der Katholiken zunehmend eine Tendenz, nicht mehr von »Irrlehren« bei den Calvinisten und Protestanten zu sprechen. Es geht eher in die Richtung, daß die Unterschiede nivelliert oder nicht mehr für wichtig erachtet werden.
Dies steht jedoch im krassen Gegensatz zum Zeugnis der seligen Stephana und anderer, die offiziell konvertiert sind und die um der Wahrheit des katholischen Glaubens willen gelitten haben.
Auch wenn sich der Ton verändert hat und die Begegnungen freundlicher geworden sind, hat sich am Inhalt nichts geändert. Nach wie vor gibt es Irrtümer in den Lehren der protestantischen Gemeinschaften. Nach wie vor ist die katholische Kirche der Hort der Wahrheit – wenn man sie nicht mit modernistischen Irrtümern unterläuft.
Bei aller wünschenswerten Offenheit gegenüber Protestanten und allem freundlichen Umgang mit ihnen darf man jedoch nie aus dem Auge und dem Herzen verlieren, daß sie noch das Licht für die Wahrheit der Kirche brauchen. Dies auf geeignete Weise zu bezeugen, ist jener Akt der Liebe, den auch die selige Stephana vollzogen hat, indem sie für die Calvinisten betete und opferte, daß auch sie in die heilige katholische Kirche heimfinden.
Selige Stephana, bitte für die aufrichtige Heimkehr der Protestanten!
Betrachtung zum Tagesevangelium:

