Lk 21,34-36
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Nehmt euch in acht, daß Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und daß jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, so wie man in eine Falle gerät; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.
Bevor wir das Evangelium betrachten, werfen wir noch einen Blick auf die heutige Lesung aus dem Buch Daniel. Hier ein Auszug:
Dan 7,23-27
Der Engel antwortete mir: Das vierte Tier bedeutet: Ein viertes Reich wird sich auf der Erde erheben, ganz anders als alle anderen Reiche. Es wird die ganze Erde verschlingen, sie zertreten und zermalmen. Die zehn Hörner bedeuten: In jenem Reich werden zehn Könige regieren; doch nach ihnen kommt ein anderer. Dieser ist ganz anders als die früheren. Er stürzt drei Könige, er lästert über den Höchsten und unterdrückt die Heiligen des Höchsten. Die Festzeiten und das Gesetz will er ändern. Ihm werden die Heiligen für eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit ausgeliefert. Dann aber wird Gericht gehalten. Jenem König wird seine Macht genommen; er wird endgültig ausgetilgt und vernichtet. Die Herrschaft und Macht und die Herrlichkeit aller Reiche unter dem ganzen Himmel werden dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen.
Hier werden uns Dinge vorausgesagt, die nicht leicht verständlich sind. Manches wird man erst begreifen, wenn die besagten Umstände eintreten und man erkennen kann, daß sich die Voraussagen konkret realisieren. Andere mögen vom Herrn ein besonderes Licht bekommen haben, diese Sprache und die Hinweise besser zu verstehen.
Eine relativ große Übereinstimmung wird es wohl geben, daß es sich bei den von Daniel benutzten Bildern um Weltreiche handelt. Bevor das im Buch Daniel beschriebene Endgericht kommt, scheint sich noch einmal eine antigöttliche Macht zu installieren, welche besonders die Heiligen bekämpfen wird.
Nicht wenige Menschen sehen, daß sich in den gegenwärtigen Entwicklungen bereits Elemente jener Prophezeiungen verwirklichen. Diese könnten mit der Aufrichtung einer antichristlichen Herrschaft einhergehen, die sich zunehmend manifestiert. Daher gilt es, sehr wachsam diese Entwicklungen zu beobachten und sich auf Verfolgungen einzustellen. Es ist unübersehbar, daß sich derzeit in manchen Ländern im Gefolge der Coronakrise mehr als problematische politische Verhaltensweisen zeigen, die sich leicht in diktatorische Regime verwandeln können; manche haben sich bereits schon diesen angenähert.
Jesus gibt uns die entscheidende Handhabe, wie wir auf alles vorbereitet sein können – auf das letzte Gericht und auf die Wehen, die diesem Gericht vorausgehen. Die obigen Worte spricht er zu seinen Jüngern, d.h. zu jenen Menschen, die ihm bereits nachfolgen. Damit sind unmittelbar auch wir gemeint; und wir sollen dann fähig werden, anderen Menschen das zu vermitteln, was wesentlich ist.
Rausch, Trunkenheit und die Sorgen des Alltags werden hier genannt, welche unsere Wachsamkeit einschränken. Hier sind sicher nicht nur alkoholische Exzesse gemeint, sondern eine Lebensweise, die nicht nüchtern ist, die sich von falschen Hoffnungen und Wünschen nährt und daher die Realität, in der man lebt, nicht richtig zu deuten vermag. Ideologien können verwirren, wenn man sein Vertrauen auf fehlbare Menschen statt auf Gott setzt. Es ist ein Mangel an Nüchternheit, wenn man sich ungeprüft Zeitströmungen und dem sog. “Mainstreamdenken” überläßt. Das kann soweit führen, daß man an einer “allgemeinen Blindheit” zu leiden beginnt und die Dinge nicht mehr von Gott her sieht und sogar falsch deutet.
Dieser Mangel an Wachsamkeit wird uns aber auch dann ereilen, wenn wir uns in den Sorgen des Alltags verstricken; wenn uns das tägliche weltliche Leben in Gedanken und Aktionen derart beschäftigt, daß man die Zeichen der Zeit nicht mehr zu deuten vermag. Der Herr bringt hier sogar den Vergleich mit einer Falle: “Nehmt euch in acht, daß Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und daß jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, so wie man in eine Falle gerät.”
Das ist sehr deutlich ausgedrückt. Wir müssen verstehen, daß wir in eine Falle gelockt werden können, aus der wir möglichst nicht mehr herauskommen sollen, und daß uns jene Blindheit umgibt, die uns unvorbereitet vorfindet an jenem Tag, der über die ganze Erde hereinbrechen wird. Es ist allerdings nicht leicht, der Blindheit entgegenzuwirken und die “Fallen” durchsichtig zu machen, in die bereits schon viele Menschen geraten sind – leider auch manche Gläubigen!
Das adäquate Mittel gegen die Blindheit und um den Fallen entrinnen zu können, ist das rechte Wachen und Beten. Nirgendwo ist wahre Sicherheit, außer im Herrn selbst. Alles kann ins Wanken kommen, deshalb sagt der Herr, daß es allezeit der Wachsamkeit bedarf. Das steht weit über jeder Reflexion oder jeder Spekulation und noch so intellektuellen Überlegungen. Wir müssen es einfach realisieren: Nur beim Herrn selbst gibt es Rettung. Es ist wie mit dem Weg der tieferen Reinigung. Auch hier fallen alle Sicherheiten weg, bis unser Seelengrund ganz mit dem Herrn vereinigt ist.
Wir stehen jetzt unmittelbar vor dem Beginn des Advents und somit vor einem neuen Kirchenjahr. Es gibt keinen Sinn, uns durch die gegenwärtige Weltlage die zärtliche Freude am Kommen Jesu in diese Welt nehmen zu lassen. Nein, die Kunde, die die Engel den Hirten gebracht haben (vgl. Lk 2,10-14), bleibt für immer bestehen. Der Menschheit ist die Botschaft des Heils zuzurufen, denn unser himmlischer Vater hat uns in seinem Sohn sein Herz weit geöffnet, damit wir durch Jesus zu Ihm gelangen und für immer bei Ihm zuhause sind.
Verbinden wir mit dieser zärtlichen Freude auch die Wachsamkeit auf das Kommen Jesu am Ende der Zeiten! Darauf leben wir zu, und nüchtern haben wir festzustellen: “Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfaßt.” (Joh 1,5) und: “Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.” (Joh 1,11).
Eine liebliche, intime Beziehung zum Kind in der Krippe widerspricht nicht der Wachsamkeit eines “Kriegers des Lichtes”, der sich den Fallen der Dunkelheit entwinden kann, wie es der Herr in seiner Erdenzeit tat (vgl. z.B. Mt 21,23-27). Realisieren wir freudig das Wort aus dem Propheten Jesaja:
“Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir.” (Jes 60,2).
Möge Gott schenken, daß die Menschen dieses Licht erkennen! Gott allein ist die wahre Hoffnung!