“Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.” (Mt 28,18b-20)
Ich habe dieses Thema zu Beginn des neuen Jahres gewählt, damit in all meinen Ansprachen, Betrachtungen und Vorträgen während des ganzen Jahres der Leitstern sichtbar wird, der die Kirche antreibt, das Evangelium zu allen Völkern zu tragen. Würde dies nicht mehr geschehen, hätte die Kirche ihren Missionsauftrag aufgegeben und würde in der Bedeutungslosigkeit versinken. Da der Missionsauftrag aber vom auferstandenen Herrn Jesus Christus erteilt wurde, bleibt er bis zum Ende der Zeiten gültig und wird auch dann weitergeführt, wenn nur noch ein kleiner Rest treu bleibt.
Um den unveränderten Auftrag des Herrn an seine Kirche zu verdeutlichen und diesen Auftrag nicht im Dialog mit anderen Religionen zu relativieren oder gar aufzulösen, integriere ich in meine Schriftauslegungen zu Beginn des neuen Kirchenjahres 2025 Auszüge aus dem Schreiben »Dominus Jesus« des ehemaligen Glaubenspräfekten Kardinal Ratzinger, des späteren Papstes Benedikt XVI. aus dem Jahr 2000.
Wie können wir die Adventszeit geistlich nutzen, wenn wir nicht auf das Fest dessen warten, welcher der Erlöser der ganzen Menschheit ist? Wie können wir vertrauensvoll auf das kommende Jahr zugehen, wenn wir nicht wissen, daß Gott in seinem Sohn Jesus Christus allen Menschen die Gnade der Erlösung anbietet?
Deshalb ist es wichtig, daß die Verkündigung des Evangeliums von allen Irrlichtern befreit wird, die Gläubigen auf gute Weiden geführt und vor Wölfen gewarnt und bewahrt werden. Die heilige katholische Kirche soll in ihrer gottgegebenen Schönheit erstrahlen. Dies wird nur geschehen, wenn die Gläubigen im Licht der Wahrheit den Weg der Heiligkeit gehen und sich nicht mit dem Geist der Welt verbinden.
Das Schreiben von Kardinal Ratzinger aus dem Jahr 2000, das der authentischen Lehre der Kirche entspricht, kann gegenwärtigen Auflösungserscheinungen in Bezug auf den Missionsauftrag Jesu für alle Völker entgegenwirken.
Das hat der damalige Glaubenspräfekt deutlich gemacht:
“Der Glaube an den Erlöser der Menschen, Jesus Christus, ist von Gott offenbart worden. Er entspringt nicht der religiösen Weisheit der Menschen, die durchaus mit anderen religiösen Erfahrungen verglichen werden könnte. Er ist auch nicht der Verdienst des Menschen, welcher durch eigene Erforschung und philosophische Erkenntnis auf die christliche Religion gestoßen und zu der entsprechenden Erkenntnis gelangt ist. Jesus selbst ist die Wahrheit in seiner Person, und der authentische Glaube ist die Wahrheit. Die Kirche verkündet im Auftrag Gottes diese Wahrheit, welche ihr anvertraut wurde. Diese gilt für alle Menschen ohne Ausnahme. Sobald wir jedoch den Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens auf die Stufe einer anderen Religion setzen würden, also wenn wir z.B. den Dialog mit anderen Religionen als einen offenen Prozeß gleichberechtigter Religionen betrachten würden, haben wir bereits eine unzulässige Relativierung vollzogen und das Licht der geoffenbarten Wahrheit überschattet. Damit aber nehmen wir dem anderen Menschen die Möglichkeit, seine eigene religiöse Erfahrung im Licht der geoffenbarten Wahrheit zu überprüfen und zu ordnen, davon abgesehen, daß wir selbst dann nicht mehr imstande sind, wahrhaftig zu unterscheiden. Geistliche Dinge sind von Gott aus und nicht primär vom Menschen aus zu beurteilen (vgl. 1 Kor 2,11)!”
Hier wird also einer falschen Offenheit im Dialog von der Wahrheit des christlichen Glaubens her eine klare Grenze gesetzt. Der Missionsauftrag Jesu ist so eindeutig, daß der Dialog mit anderen Religionen nur im Dienst der Mission stehen kann, die von der Absicht geleitet sein muß, den Menschen, welcher Religion oder Weltanschauung auch immer sie angehören wollen, mit dem Evangelium in Berührung zu bringen. Dies kann freilich verschiedene Formen annehmen und auch sehr behutsam geschehen. So hat zum Beispiel ein gläubiger Jude andere Voraussetzungen als ein Mensch, der bisher heidnische Praktiken ausgeübt hat. In jedem Fall aber gilt, was Kardinal Ratzinger geschrieben hat: “Die Kirche verkündet im Auftrag Gottes diese Wahrheit, welche ihr anvertraut wurde. Diese gilt für alle Menschen ohne Ausnahme.”
Ein entscheidender Unterschied, den das Schreiben »Dominus Jesus« in Bezug auf andere Religionen benannt, ist der sog. theologale Unterschied. Der christliche Glaube ist nicht das Ergebnis einer inneren religiösen Erfahrung oder Reflexion, sondern er ist eine Offenbarung Gottes und hat damit objektiv einen verbindlichen Charakter. Gott selbst hat uns diesen Weg der Erlösung und Vollendung gezeigt, indem er in Jesus Christus selbst auf die Erde gekommen ist.
Wenn wir aufhören, den Herrn als den Erlöser der Menschheit zu verkünden, dann hören wir nicht nur auf, seiner Mission auf Erden zu dienen, und werden ihm untreu, sondern wir betrügen auch die Menschen, zu denen wir gesandt sind. Sie können dann die Boten, die ihnen die gute Botschaft bringen, nicht mehr empfangen, aber: “Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König!” (Jes 52,7). Die Menschen hören dann nicht mehr die unendlich tröstenden Worte: “Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.” (Lk 4,18)
Es darf nicht geschehen, daß die Botschaft des Herrn in der Verkündigung immer mehr entkernt wird. Wenn dies geschieht, wird sich, anstatt die Menschen aus dem Tal der Sünde in das helle Licht Gottes zu führen, ein immer größerer Schatten über die Welt legen, und wir als Kirche würden die Menschen ihrem heillosen Zustand überlassen.
Hören wir zum Schluß noch einmal die klare Stimme der lehrenden Kirche in Dominus Jesus zu diesem Thema:
“Auch im interreligiösen Dialog behält die Sendung ad gentes »heute und immer (…) ihre ungeschmälerte Bedeutung und Notwendigkeit«. »Gott will ja, “daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Gott will, daß alle durch die Erkenntnis der Wahrheit das Heil erlangen. Das Heil liegt in der Wahrheit. Wer dem Antrieb des Geistes der Wahrheit gehorcht, ist schon auf dem Weg zum Heil; die Kirche aber, der diese Wahrheit anvertraut worden ist, muß dem Verlangen des Menschen entgegengehen und sie ihm bringen. Weil die Kirche an den allumfassenden Heilsratschluß Gottes glaubt, muß sie missionarisch sein«. Deswegen ist der Dialog, der zum Evangelisierungsauftrag gehört, nur eine der Tätigkeiten der Kirche in ihrer Sendung ad gentes. Die Parität, die Voraussetzung für den Dialog ist, bezieht sich auf die gleiche personale Würde der Partner, nicht auf die Lehrinhalte und noch weniger auf Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, im Vergleich zu den Gründern der anderen Religionen.”
Soweit die einleitenden Ausführungen, die alle bestärken sollen, an der Wahrheit des Evangeliums festzuhalten und den Suchenden ein Wegweiser zu dem zu sein, der von sich sagt: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6).