“Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten.” (Joh 13,21b)
Der Verrat! Welch furchtbarer Abgrund tut sich da im Menschen auf: Den Freund verraten! Den Meister und Herrn verraten! Die Liebe verraten!
Es wagte wohl niemand, Jesus zu fragen: “Wer ist es?” – außer dem Jünger Johannes, der mit dem Herrn besonders vertraut war und “Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche” (Joh 13,24). Das Herz des Johannes war rein und dem Herrn auf ungeteilte Weise zugetan. Einer, der liebt und dessen Herz rein geworden ist, kann auch dem Schatten ins Gesicht blicken und braucht sich vor ihm nicht zu verbergen. So lehnte sich Johannes an die Brust Jesu und fragte: “Herr, wer ist es?” (Joh 13,25). Diese Geste der Liebe und Vertrautheit war rein und echt, ganz anders als der Kuß des Verräters, der das Zeichen der Liebe in den Dienst der Bosheit gestellt hat.
Die Bosheit des Verräters reift aus, der Satan ergreift Besitz von ihm und macht ihn zu seinem Werkzeug. Judas kann und will es nicht mehr aufhalten: Die böse Absicht, die aus seiner Begierlichkeit und anderen Untugenden erwuchs, wird zur bösen Tat.
Jesus weiß dies. Er weiß, daß Judas nicht mehr umkehren wird. Er weiß, daß weder das gemeinsame Mahl noch die an Judas gerichtete Frage vor der Gefangennahme: “Freund, dazu bist du gekommen?” (Mt 26,50) ihn noch erreichen konnten. Judas ist zum Knecht des Bösen geworden. Der Verrat wird geschehen: “Was du tun willst, das tue bald!” (Joh 13,27) – sagt ihm der Herr.
“Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht” (Joh 13,31). Jetzt erfüllt der Sohn den Willen des Vaters bis zu seinem Ende am Kreuz. Jetzt wird der Herr die Seinen erlösen und alle zu sich rufen, damit auch sie erlöst werden. Jetzt demonstriert die Bosheit ihre Macht und ist doch machtlos gegenüber der Liebe Gottes. Jetzt glaubt der Satan zu triumphieren und wird doch nur zum betrogenen Betrüger. Jetzt, in der “Stunde der Finsternis”, leuchtet das Licht Gottes strahlend hell in der Hingabe des Sohnes an den Willen des Vaters auf, in der Erfüllung des Werkes, das Gott Ihm aufgetragen hat.
“Gott ist in Ihm verherrlicht”, denn alles geht vom Willen des Vaters aus, all die Weisheit, die sich uns im Glauben erschließt, in der die Selbsthingabe Gottes zum untrüglichen Beweis seiner Liebe zu uns Menschen wird.
Einer wird ihn verraten, ein anderer ihn dreimal verleugnen… Doch Petrus kehrt um, bereut und wird vom Herrn noch tiefer aufgenommen und dann gesandt. Judas bereut nicht – und er wird das Gericht an sich selbst vollziehen (vgl. Mt 27,5).