Die Tapferkeit, Teil 1

Die Lesungen in den letzten Tagen stellten uns sehr beeindruckende Beispiele des Glaubens, der Treue und der Tapferkeit vor Augen. Deshalb habe ich mich entschlossen, einen kleinen Exkurs über die Tapferkeit – eine der Kardinaltugenden – einzufügen. In diesen Zeiten der Verwirrung ist es besonders wichtig, diese Tugend anzustreben und zu praktizieren, damit wir den Versuchungen verschiedenster Art widerstehen können. Orientieren wir uns an den Personen, die uns in den Lesungen der vergangenen Tage entgegengekommen sind und uns gezeigt haben, daß der Gehorsam und die Treue gegenüber Gott höher stehen als alle irdischen Werte und es mit der Hilfe Gottes sogar möglich wird, die Angst zu überwinden.

Tapferkeit bedeutet nicht, daß wir frei von Angst sind. Sie ist nicht das Ideal des furchtlosen Menschen, welches uns in verklärten Heldengeschichten vermittelt wird. Auch ein ängstlicher Mensch kann durch die Gnade tapfer werden, denn die Fähigkeit dazu wird ihm von Gott geschenkt. Allerdings muß er sie einüben und sie sich auf diesem Weg erwerben. Wir können nicht verhindern, daß uns – ohne daß wir etwas dazutun – eine Angst überfällt, aber wir können Akte setzen, damit sie uns nicht lähmt und an der Ausführung dessen hindert, was zu tun uns aufgetragen ist.

Das allerdings müssen wir tun, und auf diesem Weg üben wir uns in die Tapferkeit ein. Wir verhandeln nicht mit der Angst, sondern mit Gottes Gnade überwinden wir sie, und wenn wir es mit klopfendem Herzen und schweißgebadeten Händen tun!

Deshalb sollten wir auch Schwierigkeiten nicht grundsätzlich ausweichen und vor ihnen flüchten. Die Tugend der Klugheit wird uns lehren, wann es angebracht ist, den Kampf aufzunehmen, und wann es besser ist, die Situation anders zu bewältigen. Doch sollte dies nicht von der Ängstlichkeit bestimmt sein. Die Tapferkeit kommt uns zu Hilfe und wird zu einer grundsätzlichen Haltung. Alles, was auf uns zukommt, gilt es im Herrn zu bewältigen, und das, was Gott wohlgefällig ist, sollten wir tun, auch wenn dies Anstrengung und Mühsal mit sich bringt.

Der Tapfere leidet ja nicht einfach um des Leidens willen oder um selbstsüchtiger Ziele willen; auch nicht, um niedere Güter zu gewinnen. Es geht bei ihm um etwas Höheres. Das muß man festhalten, wenn man die Tapferkeit verstehen will, damit man sie nicht etwa mit Tollkühnheit verwechselt. Um des Höheren willen ist der Tapfere bereit, Leiden und Nachteile auf sich zu nehmen und auch fest zu bleiben. In den Beispielen der letzten Tage ging es um das Höchste, nämlich dem Willen Gottes gehorsam zu sein.

In einer Welt, die dem Glauben gegenüber zunehmend feindselig ist, wird heute unsere Tapferkeit angefragt, wie es der folgende Text gut aufzeigt, der einem Artikel von Dr. Joseph Schuhmacher zum Thema: “Die Kardinaltugenden und ihre Bedeutung für das christliche Leben” entnommen ist.[1]

“Das Evangelium, die Botschaft der Kirche, steht notwendigerweise gegen die Botschaften dieser Welt. Jesus erklärt: ‘Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe’ (Mt 10,16; Lk 10,3). Er selber wird von den Machthabern dieser Welt dem Tod ausgeliefert. Die Widerständigkeit des Evangeliums im Hinblick auf die Welt gehört so sehr zu seinem Wesen, daß die Zustimmung der Welt als Ganzer zu dieser Botschaft bedenklich machen müßte im Hinblick auf ihre Identität. Wenn die Kirche der Welt das sagt, was sie ohnehin schon weiß und denkt, dann geht es ihr gut, dann ist sie in Sicherheit. Wie will sie dann aber vor Gott bestehen können? Die Tugend der Tapferkeit ist rar geworden in der Kirche dank des geschwächten Glaubens. Angesichts der Widerständigkeit der Welt gegen das Gute und gegen das Evangelium und gegen die Botschaft der Kirche, ist die Auseinandersetzung ein wesentliches Element im Leben des Christen. In der Auseinandersetzung bedarf er aber der Tugend der Tapferkeit. Anpassung an die Welt ist Verrat an der Sache Gottes. Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen. Paulus ermahnt die Gläubigen der Gemeinde von Rom und mit ihnen ermahnt er uns mit den Worten: ‘Ihr dürft euch der Welt nicht gleichförmig machen!’ (Röm 12, 2). Bekämpft werden muß das Böse in uns und um uns, damit wir das sein können, was wir nach dem Willen Gottes sein sollen. Wer alles einsetzt, wird alles gewinnen.”

Es ist ein immer aktuelles Thema, welches wir morgen fortsetzen werden. Halten wir fest: Es braucht Tapferkeit, um dem Evangelium Tag für Tag treu zu bleiben und die Kämpfe anzunehmen, die uns aufgetragen sind. Je mehr wir uns in die Tapferkeit einüben, desto mehr kann uns der Herr formen, daß wir nicht nur von seinem Tisch essen, sondern auch das Kreuz tragen, welches auf unserem Weg liegt.

[1] https://docplayer.org/23894482-Die-kardinaltugenden-und-ihre-bedeutung-fuer-das-christliche-leben.html – S. 61