Die Jungfrau von Orléans, Teil 4, „Erste Nachbetrachtung“

Wir haben der Heiligen Jehanne d‘Arc drei Betrachtungen gewidmet. In unserer Gemeinschaft beten wir jeden Tag, daß wir ihre Sendung noch besser verstehen und daß ihre Ehre vollständig hergestellt wird. Warum beten wir das?

Wie bereits in den letzten Sendungen erwähnt, wurde Jehanne d‘ Arc oft nicht richtig verstanden. Man konnte sich nicht vorstellen, daß Gott auf diese Weise in den Lauf der Geschichte eingreift und durch ein junges Mädchen die Wende in einem Krieg herbeiführt. Dieser Meinung wird bis heute vertreten.

Wenn man versucht, das Kommen der Jungfrau von Orleans mit rein menschlichen Vorstellungen zu erklären, kommt man einerseits schnell an das Ende seiner Überlegungen andererseits ist man auch in der Versuchung, Thesen aufzustellen, die dem Geschehen nicht gerecht werden. Im schlimmsten Fall ordnet man die Heilige und ihre Visionen dann dem Bereich der Geistesverwirrung zu oder spricht ihr schlicht und einfach einen realen Einfluß auf die damalige historische Situation ab.

Die Engländer, mit denen es der französische König zu tun hatte, konnten und wollten sich die Wende in diesem Krieg nur durch das Wirken des Teufels erklären. So lag es für sie nahe, die Jungfrau als Hexe verurteilt sehen zu wollen, um ihren Ruf zu zerstören und damit zugleich einen Schatten auf Charles VII. zu werfen, wie wir es in den Erzählungen der vergangenen Tage gehört haben.

Im Licht des Glaubens können wir jedoch gerade in der Erwählung von Jehanne d’Arc die Weisheit Gottes erkennen. Dem Herrn gefällt es, das Schwache vor der Welt zu erwählen, um sich selbst zu verherrlichen (vgl. 1 Kor 1,27). Jeder konnte ja sehen, daß dieses Mädchen aus Lothringen menschlich gar nicht in der Lage war, eine solche Mission durchzuführen.

“Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt.” (Joh 15,16)

Die Erwählung geht also von Gott aus, und wir wissen nicht, nach welchen Kriterien er erwählt. Ein Kriterium aber scheint transparent zu sein: Der Herr schaute in das Herz von Jehanne und wußte, daß es vor Liebe zu ihm brannte. Der Herr wünscht die Mitwirkung des Menschen, den er für seinen Dienst erwählt. Es ist offensichtlich, daß sein Kriterium nicht in erster Linie natürliche Vorzüge sind, sondern die Treue des Herzens und die Tiefe der Gottesliebe.

Das Schönste und Tiefste, was wir von Jehanne sagen können, ist, daß sie Gott geliebt und ihm ihre ganze Antwort in der Hingabe ihres Lebens gegeben hat. Von diesem Ausgangspunkt aus schließt sich uns die Seele der Jungfrau von Orleans auf, jetzt können wir sie verstehen lernen. Ihre Liebe und ihr Vertrauen haben es Gott ermöglicht, diese Werke durch sie zu vollbringen, und am Ende ihre Mission zu erfüllen, indem sie jenen Tod erlitt, den sie zuvor so sehr gefürchtet hatte.

In Jehanne lebte der Geist der Stärke. Es ist jene Gabe des Heiligen Geistes, die es – mit unserer Zustimmung – Gott erlaubt, uns über unsere irdischen Grenzen hinauszuführen und Gott mehr zu lieben als unser eigenes Leben.

Wenn wir Jehannes wunderbare Antwort auf den Ruf Gottes ehren, dann ehren wir vor allem Gott selbst. Auf Jehanne lassen sich jene Worte anwenden, die die Jungfrau Maria in ihrem unvergleichlichen Lobgesang, dem Magnificat, spricht: “Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut”(Lk 1,48). Entsprechend können wir sagen, daß Gott auch auf »seine Tochter Jehanne« herabgeschaut und sie mit diesem großen Werk der Befreiung ihres Volkes begnadet hat.

Die Ehre Jehannes ist also die Ehre Gottes. Deshalb ist es wichtig, daß in den Berichten und Zeugnissen die Herrlichkeit und Weisheit Gottes aufleuchtet, damit diese ungewöhnliche Mission in seinem Licht verstanden wird. Wenn wir Jehanne die Ehre nehmen oder sie verringern, schmälern wir die Ehre, die Gott selbst mittels ihrer Mission zusteht.

Die Sendung einer Heiligen, wie wir sie hier bei Jehanne kennengelernt haben, hört nicht auf, wenn sie für immer bei Gott zu Hause ist. Die kleine Therèsé, die übrigens eine große Verehrerin von Jehanne d’Arc war, hat gesagt, daß sie vom Himmel aus Blumen schicken werde. Therèsé hatte ja ein großes apostolisches Herz und wurde tatsächlich von der Kirche zur Patronin der Mission erhoben.

So wollen wir morgen, in der zweiten Nachbetrachtung, darauf schauen, ob denn auch die Mission der heiligen Jehanne d’Arc heute eine Fortsetzung findet.

Download PDF

Supportscreen tag