Die Gaben des Heiligen Geistes: »Die Gottesfurcht«  

Welch einen großartigen Wandel können wir bei den Aposteln nach der Herabkunft des Heiligen Geistes erkennen! Die ehemals Verzagten werden durch die Gegenwart des Heiligen Geistes zu vollmächtigen Boten der Liebe Gottes und verkünden furchtlos das Evangelium. Das große Zeichen, daß alle Zuhörer, die aus den verschiedensten Gebieten kamen, die Botschaft der Apostel in ihrer eigenen Sprache verstehen konnten (vgl. Apg 1,8), war ein Zeichen für die Zukunft. Es war, als wäre für einen Moment die Sprachverwirrung aufgehoben gewesen, um die Großtaten Gottes zu verkünden, denn diese sollten alle Menschen hören.

Der Heilige Geist ist also für die Evangelisierung gesandt, um das Werk des Herrn weiterzuführen und um die Kirche zu erleuchten, zu stärken und zu bewegen, die diesen Auftrag vom Auferstandenen empfangen hat! Er ist somit der »große Evangelisator«!

Gleichzeitig ist der Heilige Geist auch der Meister unseres inneren Lebens. Er führt uns zur Bekehrung und leitet uns auf diesem Weg weiter, damit unser Herz verwandelt wird. Er will unsere Seele nach dem Bilde Gottes gestalten. Um dies zu erreichen, lockt er uns, die Tugenden zu praktizieren. Immer wenn wir an unsere Grenzen stoßen, kommt er uns mit seinen sieben Gaben zu Hilfe: “Sie vervollständigen und vervollkommnen die Tugenden derer, die sie empfangen und sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen.” (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1831).

Während der Pfingstoktav wollen wir jede einzelne dieser sieben Gaben des Heiligen Geistes betrachten. Heute beginnen wir mit der Gottesfurcht.

“Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit” (Ps 111,10a)

Diese Gabe des Heiligen Geistes bewirkt, daß in der Seele des Menschen, der im Stand der Gnade lebt, eine große Abneigung gegen die Sünde entsteht. In großer Klarheit erkennt man sowohl ihre zerstörerische Kraft als auch – und das ist noch wichtiger –, daß durch die Sünde die Majestät und Liebe Gottes mißachtet wird.

Es ist eine der ersten Lektionen, die der Heilige Geist einer Seele schenkt, die ernsthaft nach Heiligkeit strebt. Denn sie soll bereit werden, den Weg der Vereinigung mit Gott zu gehen.

Wenn die Gabe der Gottesfurcht wirksam wird, dann ist in der Seele des Menschen bereits die Liebe erwacht. Sie versteht daher eindeutig, daß allein die Sünde sie von Gott trennen kann. Wenn der Mensch den Herrn als liebenden Vater erkennt, zieht eine Art kindliche Furcht in sein Herz ein. Nichts möchte man tun, was von Gottes Liebe trennen und ihn beleidigen könnte. So verbringt die Seele ihr Leben in großer Achtsamkeit.

In ihrem Bemühen, alles zu vermeiden, was die Beziehung zu Gott verdunkeln könnte, wird die Seele nicht primär von knechtischer Furcht angetrieben, welche vor allem die Strafe meiden will. Stattdessen wird sie durch die Gabe der Gottesfurcht zu einer immer feiner werdenden Empfindsamkeit gegenüber Gott geleitet. Dies führt bei einem konsequenten Weg zur immer hochherzigeren Hingabe an den Herrn.

Die doppelte Erkenntnis – einerseits der unermesslichen Größe Gottes, andererseits seiner Barmherzigkeit – läßt nun die Gabe der Gottesfurcht in der Seele reifen und sich harmonisch im geistlichen Leben entfalten. Die rechte Ehrfurcht vor Gott und die Liebe machen die Seele zunehmend bereit, die Gegenwart Gottes aufzunehmen.

Die Ehrfurcht – das Staunen über die Heiligkeit Gottes – hilft im Umgang mit Gott, jede Art von falscher Vertraulichkeit zu vermeiden. Die familiäre Beziehung zu unserem himmlischen Vater bewahrt uns davor, in einer zu großen Distanz zu Gott zu leben, was unser geistliches Leben öde werden lassen könnte.

Die Entfaltung der Gabe der Gottesfurcht führt auch dazu, daß wir all die Gaben, die Gott uns zu unserem Heil schenkt, tiefer erfassen. Sei es die Größe des Opfers Jesu Christi, seien es die Heiligen Schriften, die authentische Lehre der Kirche, die heiligen Sakramente oder all das, was der Herr für die Menschen bereitet hat.

Unter der Wirkung dieser Gabe werden wir leichter jenen Tendenzen entgegenwirken können, die die Ehrfurcht vor den heiligen Handlungen mindern. Wir werden aufmerksamer auf unser Reden und unseren Umgang mit anderen Menschen achten. Wenn wir Gott mit der rechten Ehrfurcht und Liebe begegnen, wird derselbe Geist uns lehren, dies auch mit den Menschen zu tun, die nach seinem Bild geschaffen sind.

Unter Einwirkung der Gabe der Gottesfurcht übernimmt die Liebe – die ja der Heilige Geist selbst ist – die Führung in unserem Leben. Wenn wir seinen Antrieben und Lockungen folgen, dann können die Mängel, welche unserem Tugendstreben noch anhaften, unter seinem Einfluß mehr und mehr überwunden werden. Je größer unsere Sensibilität wird, desto leichter kann er uns motivieren und uns die Kraft geben, das zu tun, was er uns vorgibt.

Er wird zu unserem inneren Meister auf dem Weg der Heiligkeit. Wir haben uns auf den Weg gemacht, die Weisheit Gottes tiefer zu verstehen. Der Herr selbst wird sein Werk an uns vollenden, wenn wir dem gewiesenen Pfad treu bleiben.

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