Da erhob sich im Hohen Rat ein Pharisäer namens Gamaliël, ein beim ganzen Volk angesehener Gesetzeslehrer; er befahl, die Apostel für kurze Zeit hinauszuführen. Dann sagte er: Israeliten, überlegt euch gut, was ihr mit diesen Leuten tun wollt! Vor einiger Zeit nämlich trat Theudas auf und behauptete, er sei etwas Besonderes. Ihm schlossen sich etwa vierhundert Männer an. Aber er wurde getötet und sein ganzer Anhang wurde zerstreut und aufgerieben. Nach ihm trat in den Tagen der Volkszählung Judas, der Galiläer, auf; er brachte viel Volk hinter sich und verleitete es zum Aufruhr. Auch er kam um und alle seine Anhänger wurden zerstreut. Darum rate ich euch jetzt: Lasst von diesen Männern ab und gebt sie frei; denn wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten; sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gott dastehen.
Sie stimmten ihm zu, riefen die Apostel herein und ließen sie auspeitschen; dann verboten sie ihnen, im Namen Jesu zu predigen, und ließen sie frei. Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden. Und sie ließen nicht ab, Tag für Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren, und verkündeten das Evangelium von Jesus, dem Christus.
Man atmet auf! Inmitten dieser inzwischen wohl schon vom Haß verblendeten Gegner des Herrn gibt es einen, der noch seine Vernunft zu gebrauchen weiß. Offensichtlich hat er sich nicht von der allgemein feindseligen Stimmung anstecken lassen und sich die Freiheit der Gedanken und der Rede bewahrt.
Stammt das Werk, das vor den Augen des Sanhedrin entsteht, von Gott oder nicht? Es wird nicht ganz klar, was Gamaliel selbst darüber denkt. Doch er nennt die Kriterien, die es den Anklägern ermöglichen sollten, mit den Vorgängen um die Apostel besser umgehen zu können. Aufgrund ihrer Verblendung waren sie nicht mehr in der Lage – oder sie wollten es auch nicht – unmittelbar zu verstehen, daß Gott durch die Apostel am Werk war. Sie hatten ihr Herz verschlossen, und jedes Wort, jedes Zeichen und Wunder, das im Namen Jesu geschah, wurde ihnen zum Anlaß, ihr Herz noch mehr zu verschließen.
Es konnte sie nichts mehr erreichen, sie umzustimmen. Der Rat des Gamaliel öffnete nun zumindest einen Weg, der es den Aposteln erlaubte, ihre Mission weiterzuführen. Die Gegner des Herrn wollten letzten Endes nicht als Kämpfer gegen Gott dastehen, und so stimmten sie dem Rat des angesehenen Gesetzeslehrers zu. Insofern konnte dieser kluge Rat des Gamaliel zunächst eine Beruhigung der Situation herbeiführen.
Doch das hielt sie nicht davon ab, die unschuldigen Apostel grausam auspeitschen zu lassen und so ihre Bosheit zu zeigen. Es war nur ein vorübergehender Halt für die weitere Ausbreitung ihrer Feindschaft gesetzt – gewissermaßen aus Selbstschutz –, aber das feindselige Feuer loderte weiter. Noch einmal verboten sie den Aposteln, im Namen Jesu zu predigen, dann ließen sie sie frei.
Und die Apostel? Der Geist des Herrn hatte schon so intensiv in ihnen gewirkt, daß sie die ungerechte Behandlung nicht beklagten. Vielmehr heißt es: “Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.”
In ihnen mußte etwas Großes geschehen sein, denn es ist eine natürliche und berechtigte Reaktion, eine ungerechte Behandlung zurückzuweisen und auch unter ihr zu leiden. Denn eine solche Behandlung verletzt nicht nur im physischen Sinn – wie es hier geschah –, sondern eine solch entwürdigende Handlung wie diese Gewaltausübung gegenüber Unschuldigen, verletzt auch die Ehre des Menschen. Erschwerend kommt hinzu, daß es Menschen waren, die dem Volk Gutes taten und durch die viele Heilungen geschahen. Wir haben es also mit einer höchst ungerechten und verabscheuungswürdigen Tat der Autoritäten zu tun.
Ein Verbleiben in der natürlichen Reaktion – und das mag auch für uns eine Lehre sein – kann nur dann überwunden werden, wenn wir unsere Leiden mit dem Leiden des Herrn verbinden und wissen, daß auch Jesus um der Wahrheit und um unseretwillen unschuldig gelitten hat und mißhandelt wurde. Diesen inneren Weg vermag man nur dann zurückzulegen, wenn man mit dem Herrn tief verbunden ist. Das kann bedeuten, eine Wegstrecke zurückzulegen und ist nicht immer sofort der Fall. Die Apostel hatten diesen inneren Weg offensichtlich bereits zurückgelegt und konnten nun sogar eine geistliche Freude erleben, in dieser Schmach ihrem Herrn ähnlich geworden zu sein.
All das gab ihnen noch mehr Kraft, das Evangelium zu verkünden, und sicher wurde ihre Überzeugung auch noch tiefer, da sie um des Herrn willen verfolgt wurden. Das kann schwache Seelen entmutigen, die dann gestützt werden müssen. Starke Seele vermag es jedoch noch entschlossener zu machen. Die Apostel waren offensichtlich durch den Geist der Stärke beseelt, denn “sie ließen nicht ab, Tag für Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren, und verkündeten das Evangelium von Jesus, dem Christus”.
Betrachtung zur Tageslesung: https://elijamission.net/zeichen-und-wunder-im-dienst-der-verkuendigung/#more-1393
Betrachtung zum Tagesevangelium: https://elijamission.net/der-geist-macht-lebendig-2/#more-14105