1 Thess 2,9-13
Ihr erinnert euch, Brüder, wie wir uns gemüht und geplagt haben. Bei Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und haben euch so das Evangelium Gottes verkündet. Ihr seid Zeugen, und auch Gott ist Zeuge, wie gottgefällig, gerecht und untadelig wir uns euch, den Gläubigen, gegenüber verhalten haben. Ihr wißt auch, daß wir, wie ein Vater seine Kinder, jeden Einzelnen von euch ermahnt, ermutigt und beschworen haben zu leben, wie es Gottes würdig ist, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft. Darum danken wir Gott unablässig dafür, daß ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam.
Gestern haben wir mit Blick auf Natanaël – den der Herr einen “wahren Israeliten” nannte – betrachtet, was “ein wahrer Christ” ist und woran wir ihn erkennen können.
Heute hören wir den Heiligen Paulus sehr unbefangen davon sprechen, wie er und seine Mitarbeiter ein gutes Zeugnis für die Gemeinde gegeben haben, auf das er sich beruft.
Vielleicht befremdet es etwas, daß der Apostel sich selbst so lobt. In der geistlichen Schulung durch den Herrn und auch durch die geistlichen Lehrer sind wir eigentlich dazu angehalten, die eigenen guten Taten mehr zu verbergen und alles dem Herrn zuzuschreiben. Prinzipiell ist das richtig, denn wir sind immer in der Gefahr, uns selbst in den Vordergrund zu stellen und das Lob der Menschen zu suchen.
Wenn nun unser Völkerapostel entgegen solcher Überlegungen sich selbst lobt, dann muß das einen anderen Grund haben. Wir kennen von ihm ja auch die sog. “Narrenrede” (2 Kor 11,18.21-30), in welcher er seine Leiden und Gnaden als Apostel schildert. Der Grund dafür war, daß Leute in die Gemeinden eindrangen und über ihre besonderen Gaben sprachen, um die Gläubigen zu beeindrucken. Und tatsächlich gelang ihnen das. Paulus wollte dies korrigieren, damit die Gemeinde sich nicht irreführen lasse und auf dem Weg bleibe, den er sie gelehrt hatte. Zu diesem Zweck sprach er auch über die besonderen Gaben, die Gott ihm geschenkt hatte.
Heute will Paulus mit seinem Zeugnis unterstreichen, daß die Gemeinde durch ihn die Wahrheit verkündet bekam und dies durch ihr Zeugnis bekräftigt wurde.
Wir wissen alle, wie schwierig es ist, glaubwürdig zu sein, wenn Wort und persönliches Zeugnis weit auseinanderklaffen. Den anderen Menschen fällt es dann sehr viel schwerer, sich der Wahrheit des Wortes zu öffnen, als wenn für sie eine Übereinstimmung von Wort und Leben erkennbar wird. Das gelebte Zeugnis besitzt einen eigenen Überzeugungscharakter, und wir sind gerufen, uns um eine solches Zeugnis zu bemühen.
Es wäre allerdings eine irrige Sicht, wenn man meint, nur durch das Lebenszeugnis evangelisieren und jede Verkündigung weglassen zu können. Auf einem solchen Weg würde man den Menschen jene Nahrung entziehen, welche sie so sehr nötig haben. Auch ist es unrealistisch zu denken, nur ein hoher Grad an Heiligkeit schaffe überhaupt eine Voraussetzung für die Verkündigung. Wäre es so, dann würde das Wort sehr bald verstummen, denn wie viele Menschen werden den Grad der Heiligkeit eines Heiligen Paulus erreichen?
Paulus betont noch einmal, wie wichtig es ist, Gottes Wort aufzunehmen. Es unterscheidet sich wesentlich vom menschlichen Wort, denn es hat die Kraft, uns zu erleuchten, zu korrigieren und zu verwandeln. Auf diese Weise wird es in uns wirksam.
Nie sollten wir es versäumen, uns mit dem Wort Gottes zu beschäftigen, möglichst täglich. Unserem Körper führen wir Tag für Tag Nahrung zu. Wie viel nötiger ist es, das Wort Gottes zu “speisen”, damit unsere Seele und unser Geist die entsprechende Nahrung bekommen. In der heiligen Offenbarung wird der Seher aufgefordert, das Buch zu essen (Apk 10,8-11), die Väter in der Wüste wählten den Begriff, man solle das Wort Gottes “wiederkauen”. Damit ist gemeint, es zu verinnerlichen, sodaß es in uns wohnen und Frucht bringen kann.
In den gegenwärtigen verwirrenden Zeiten ist es noch einmal wichtiger, sich einen “Schatz” von Worten der Heiligen Schrift anzusammeln, auf den man zurückgreifen kann. In Zeiten großer Not, in denen sogar der Zugang zur Heiligen Messe versperrt wird (wie es geschah), können wir immer aus diesem Fundus schöpfen und vom “Tisch des Wortes” speisen.
Wenn wir viele Worte der Heiligen Schrift im Herzen sammeln, dann sind sie eine große Waffe gegen den “Ungeist”, der die Menschen verwirren will.
Deshalb ist auch der geistliche Kampf ein wichtiger Grund, mit dem Wort Gottes sehr vertraut zu leben und manches auch auswendig zu können.