Weish 3,27-34
Versag keine Wohltat dem, der sie braucht, wenn es in deiner Hand liegt, Gutes zu tun. Wenn du jetzt etwas hast, sag nicht zu deinem Nächsten: Geh, komm wieder, morgen will ich dir etwas geben. Sinne nichts Böses gegen deinen Nächsten, der friedlich neben dir wohnt. Bring niemand ohne Grund vor Gericht, wenn er dir nichts Böses getan hat. Beneide den Gewalttätigen nicht, wähle keinen seiner Wege; denn ein Gräuel ist dem Herrn der Ränkeschmied, die Redlichen sind seine Freunde. Der Fluch des Herrn fällt auf das Haus des Frevlers, die Wohnung der Gerechten segnet er. Die Zuchtlosen verspottet er, den Gebeugten erweist er seine Gunst.
Welche Weisheit begegnet uns bereits in den Schriften des Alten Bundes!
Man soll es nicht aufschieben, Gutes zu tun – so sagt es uns der Text. Das zeigt uns, daß Gutes tun nicht einfach nur eine Möglichkeit unter anderen ist, sondern zum Wesen des Menschen gehört. Wir verfehlen das wahre Menschsein, wenn wir nicht so handeln, denn wir sind aus Liebe geschaffen, und in der Verwirklichung dieser Liebe werden wir zu dem, was wir sind: Menschen nach dem Bilde Gottes. Das erinnert uns auch an das Wort des Herrn: “Wer hat, dem wird gegeben” (Mt 13,12a). Das können wir in Bezug auf die Liebe verstehen: Wer liebt und die Liebe weiterschenkt, dessen Liebesfähigkeit wird wachsen.
So wird der obige Satz zu einer inneren Dringlichkeit, denn die Liebe will sich entfalten, sie will konkret Gestalt annehmen. Der Bedürftige, der uns begegnet, gibt uns die Gelegenheit, Gutes zu tun.
Einerseits können wir die Liebe praktizieren, die dann auch dem anderen dient und die Liebe Gottes widerspiegelt. Andererseits können wir prüfen, ob unser Herz bereit ist, das Gute zu tun, oder ob es zögert oder sich sogar verschließt. Wenn das der Fall ist, dann sollten wir es korrigieren und unser Herz auf den rechten Weg bringen.
Wichtig ist zu beachten, daß die Liebe keinen Aufschub duldet: “Wenn du jetzt etwas hast, sag nicht zu deinem Nächsten: Geh, komm wieder, morgen kann ich dir etwas geben!” Es könnte ja sein, daß ich morgen keine Gelegenheit mehr habe, das Gute zu tun! Dann hätte ich nicht nur die Liebe verletzt, sondern es gäbe vielleicht auch keine Gelegenheit mehr, das Versäumt wiedergutzumachen. Ein solches Versäumnis kann uns für den Rest unseres Lebens in Erinnerung bleiben, selbst wenn es vergeben wurde. Aber der Herr wird es uns zum Stachel werden lassen, die nächste Gelegenheit nicht zu verpassen.
Versäumen wir also nicht die Gelegenheit, Gutes zu tun! Es müssen nicht immer die leiblichen Werke der Barmherzigkeit sein, sondern oft geht es einfach um das Gebet für einen anderen Menschen.
Wenn wir den Heiligen Geist bitten, immer aufmerksam zu sein, wo Taten der Liebe von uns angefragt sind, dann wird uns die rasche Hilfeleistung für den anderen selbstverständlich. Der Geist des Rates wird uns dann immer genauer zeigen, was die richtige Antwort auf die jeweilige Not ist. Je mehr wir dem Heiligen Geist folgen, desto empfänglicher wird unser Herz, desto aufmerksamer werden wir die Situationen wahrnehmen, die unser Liebeshandeln erfordern, und desto schneller werden wir darauf antworten können.