Das Evangelium nach Johannes (Joh 8,12–30): Streitgespräche Jesu in Jerusalem

Als Jesus ein andermal zu den Schriftgelehrten und Pharisäern redete, sagte er: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben. Da sagten die Pharisäer zu ihm: Du legst über dich selbst Zeugnis ab; dein Zeugnis ist nicht wahr. Jesus erwiderte ihnen: Auch wenn ich über mich selbst Zeugnis ablege, ist mein Zeugnis wahr. Denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wißt nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. Ihr urteilt, wie Menschen urteilen, ich urteile über niemanden. Wenn ich aber urteile, ist mein Urteil wahrhaftig; denn ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat, sind zusammen. Und in eurem Gesetz steht geschrieben: Das Zeugnis von zwei Menschen ist wahr. Ich bin es, der über mich Zeugnis ablegt, und auch der Vater, der mich gesandt hat, legt über mich Zeugnis ab. Da fragten sie ihn: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; würdet ihr mich kennen, dann würdet ihr auch meinen Vater kennen. Diese Worte sagte er, als er im Tempel bei der Schatzkammer lehrte. Aber niemand nahm ihn fest; denn seine Stunde war noch nicht gekommen.

Immer wieder stoßen sich die Pharisäer an dem Anspruch, der ihnen aus den Worten Jesu entgegenkommt und der sie zur Erkenntnis seiner Person führen soll, damit sich ihnen der Weg zur Wahrheit öffnet, ihn als den Messias zu erkennen. Wenn man Jesus als den Messias erkennen, dann öffnet sich auch die Tür zu einer tieferen Erkenntnis Gottes, des himmlischen Vaters, der ihn gesandt hat. Geht man diesen Weg der Erkenntnis, dann kann das Licht des Heiligen Geistes immer mehr offenbaren, die Gotteserkenntnis wird genauer und umfassender, die Liebe zu ihm wächst.

Auch heute stoßen sich Menschen daran, daß Jesus der einzige Weg zum Vater sein soll. Die entsprechenden Worte des Herrn (z.B. Joh 14,6), werden entweder gar nicht aufgenommen oder umgedeutet. Diese Tendenz hat sich bis in die Kirche hinein verbreitet, und diejenigen, die es eigentlich wissen müßten und beauftragt sind, die Wahrheit zu verkünden, sind leider in Gefahr, die Wahrheit durch menschliche Überlegungen und Anpassung an den Zeitgeist zu verdunkeln. Bei einem solchen Verhalten gerät vielleicht in den Hintergrund, daß wir im Auftrag Jesu handeln, daß es sein Anspruch ist, dem wir dienen, und daß es nicht unsere Wahrheit ist, die wir verkünden. Wenn wir also berufen sind, seine glaubwürdigen Zeugen zu sein, können wir also gar nicht über sie verfügen, sie relativieren oder verändern.

Jesus nimmt jedenfalls seine Worte nicht zurück, auch wenn er auf Widerstand stößt, sondern versucht sie seinen Zuhörern zu erläutern. Es bleibt bei der weitreichenden Aussage: “Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Wie könnte der Herr auch ein solches Wort zurücknehmen? Er würde ja den Menschen die Hoffnung rauben, dem zu begegnen, der sie tatsächlich aus der Finsternis in das Reich Gottes führen kann? Wie könnte man den Suchenden, die unter dem Antrieb des Geistes Gottes aufgebrochen sind, um nach dem Herrn Ausschau zu halten, verwehren, den zu finden, nach dem sie sich unwissentlich bereits ausstrecken? Wie könnte man der Welt, die sich so oft im Taumel der Unwissenheit über die wahren Werte befindet, den Weg zum Licht versperren und sie der Finsternis überlassen? Wie könnte man den Juden, die als Gottes geliebtes und ersterwähltes Volk schon lange auf den warten, der nun gekommen ist, die Erkenntnis verwehren, daß Jesus der verheißene Messias ist?

Jesus macht es deutlich, daß er das Licht der Welt und der Gesandte des Vaters ist. Auch dem Einwand, daß er von sich selbst Zeugnis ablege und daher sein Zeugnis nicht wahr sei, begegnet er mit dem Hinweis, daß der himmlische Vater ihn durch seine Worte und Werke bezeuge und daß er von ihm komme. So ist das Zeugnis, das er von sich gibt, wahr.

Den Pharisäern aber bleibt der Weg der Erkenntnis, durch die Worte Jesu und durch sein Zeugnis die Wahrheit zu erkennen und sich dem Licht zu öffnen, verschlossen. Jesus selbst nennt dafür einen wesentlichen Grund, der auch für unsere Zeit gültig ist: “Ihr urteilt, wie Menschen urteilen”.

Dies ist ein wesentlicher Schlüssel. Um den Herrn als Messias, als Sohn des Vaters zu erkennen, bedarf es des Heiligen Geistes. Die rein natürliche Erkenntnis reicht nicht aus, um Jesus als den zu erkennen, der er wirklich ist. Wenn wir also versuchen, den Herrn nur in menschlichen Kategorien zu erfassen, werden wir höchstens bis zum Tor gelangen, an dem wir anklopfen, um dann zu einer tieferen Kenntnis zu gelangen. Wir benötigen bereits die Erkenntnis des Heiligen Geistes, um zu Jesus »Herr« in dem Sinne sagen zu können, daß er unser Herr ist.

Wenn wir heute innerhalb der Kirche Stimmen hören, die Jesus nicht mehr so verkünden, wie er selbst es getan hat und nach ihm seine Jünger durch die Zeiten hindurch, bedeutet das, daß das Licht des Heiligen Geistes zunehmend verlorengeht und die Erkenntnis Gottes verdunkelt wird.

Die Pharisäer hatten in der Begegnung mit Jesus die Möglichkeit, ihn und damit auch den Vater in Wahrheit zu erkennen. Ihr menschliches Urteilen stand ihnen allerdings im Weg. Hätten sie ihm zugehört, würden sie seine Worte einlassen, seine Taten anerkennen und die rechten Schlüsse daraus ziehen, dann könnte das Licht in sie eindringen, sie würden seine Jünger werden und nicht das Herz so weit verschließen, daß sie ihn töten wollen.

Dieser Weg steht auch den Menschen von heute offen. Sie können Jesus fragen, wer er ist. Er wird antworten!

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