Das Evangelium nach Johannes (Joh 17,13-26): »Die letzten Worte Jesu vor seiner Gefangennahme«

[Jesus erhob seine Augen zum Himmel und sprach]: Jetzt komme ich zu dir und rede dies noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind. Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.

So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast. Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, daß du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.

Es sind die letzten Worte des Herrn, vor seiner Gefangennahme. Seine Häscher haben alles geplant und warten nur auf die Gelegenheit, ihn zu ergreifen. Judas wird sie ihnen bald bieten.

Doch zuvor spricht der Herr mit seinem Vater über seine geliebten Jünger, die er in der Welt zurücklassen wird, damit sie ihren Auftrag erfüllen. Seine letzten Worte sollen sie nicht in Trauer zurücklassen. Sie sollen sie vielmehr mit der Freude Jesu erfüllen und ihnen Hoffnung schenken. Es ist die Freude, Gott zu kennen und ihm zu dienen. Das ist das große Geschenk und zugleich der Auftrag der Jünger. Weil sie Gott gehören, werden sie von der Welt gehaßt, wie der Herr selbst. Das wird so bleiben, bis die Menschen sich aufrichtig zu Gott bekehren und aus den Fängen der Dunkelheit befreit werden. Wenn das Licht Gottes in sie eindringt, können sie die Güte Gottes wahrnehmen und alle Zerrbilder von Gott beginnen zu weichen. Das gilt besonders auch für eine falsche Furcht vor Gott, die der Teufel einflößt, um das Vertrauen zum himmlischen Vater zu zerstören. Sie muß aufgelöst werden.

Jesus nimmt seine Jünger nicht mit zu seinem Vater. Sie müssen noch in der Welt bleiben, in dieser feindlichen Umgebung, die oft genug im Gegensatz zu Gott steht. Aber der Herr bittet darum, daß sie von unserem Vater vor dem Bösen bewahrt bleiben. So wird ihr Weg in dieser Welt zur Bewährung, ob sie Gott treu bleiben.

Das gilt auch für uns, die wir heute Jesus nachfolgen. Die Welt ist der Ort, an dem wir unsere Aufgabe zu erfüllen haben, und wir dürfen auf das Gebet des Herrn vertrauen, daß der himmlische Vater uns vor dem Bösen bewahren wird. Wir sind gerufen, in der Wahrheit zu leben, in seinem Wort zu bleiben und nicht davon abzuweichen. Zugleich sind wir vom Herrn in die Welt gesandt, um im Dienst unseres himmlischen Vaters und seines göttlichen Sohnes der Welt die Wahrheit zu bezeugen. Es gibt keine wichtigere Aufgabe, denn die Menschen sollen die Wahrheit erkennen, und dazu bedarf es der Boten des Herrn.

Das Gebet Jesu für seine Jünger schließt auch alle ein, die durch ihr Wort zum Glauben gefunden haben. So hat Jesus uns schon damals im Blick gehabt und sieht uns auch heute, wenn wir uns bemühen, Licht dieser Welt und Salz der Erde zu sein (Mt 5,13-14).

Jesus spricht immer wieder von der Einheit der Jünger mit ihm und dem Vater, die ein großes Zeugnis für diese Welt ist. Wir wissen sehr wohl, daß das Zeugnis der Einheit aller, die an Christus glauben, in vielerlei Hinsicht Schaden erlitten hat. Heute wird innerhalb und auch außerhalb der Kirche versucht, die Einheit unter den Menschen wiederherzustellen. Es muß jedoch betont werden, daß es wahre Einheit nur in der Wahrheit geben kann. Sie entsteht nicht außerhalb, sondern dort, wo Menschen in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes leben und in die Einheit zwischen Gott Vater und seinem Sohn eintreten. Von dieser Einheit spricht Jesus in seinen Abschiedsreden. Alles andere hat keinen dauerhaften Bestand und zerbricht ebenso leicht wie der Friede, den die Welt gibt.

Noch einmal wendet sich Jesus an seinen Vater mit dem Wunsch, daß die Seinen die ganze Herrlichkeit sehen mögen, die der Vater ihm schon vor Grundlegung der Welt geschenkt hat. Das wird in der Ewigkeit all jenen möglich sein, die in der Gnade Gottes ihren irdischen Lauf vollendet haben. Was wir jetzt schon auf Erden im Glauben von der Herrlichkeit Jesu erkennen können, ist schon wunderbar, wenn auch noch wie in einem Spiegel, wie es der heilige Paulus sagt (1 Kor 13,12). Aber das, was uns erwartet, wird uns überwältigen und zu unserer ewigen Seligkeit gehören. Dann wird sich auch erfüllen, was Jesus von unserem Vater erbeten hat: daß seine Liebe, mit der er von Gott geliebt ist, in uns lebt und er in uns lebt.

Mit diesen Abschiedsworten unseres Herrn wollen wir übergehen in die Betrachtung der Passion Jesu.

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