Die Menge hielt Jesus entgegen: Wir haben aus dem Gesetz gehört, daß der Christus bis in Ewigkeit bleiben wird. Wie kannst du sagen, der Menschensohn müsse erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? Da sagte Jesus zu ihnen: Nur noch kurze Zeit ist das Licht bei euch. Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überrascht! Wer in der Finsternis geht, weiß nicht, wohin er gerät. Solange ihr das Licht bei euch habt, glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet! Dies sagte Jesus. Und er ging fort und verbarg sich vor ihnen. Obwohl Jesus so viele Zeichen vor ihren Augen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn. So sollte sich das Wort erfüllen, das der Prophet Jesaja gesprochen hat: Herr, wer hat unserer Botschaft geglaubt? Und der Arm des Herrn – wem wurde seine Macht offenbar? Denn sie konnten nicht glauben, weil Jesaja an einer anderen Stelle gesagt hat: Er hat ihre Augen blind gemacht und ihr Herz hart, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile. Das sagte Jesaja, weil er Jesu Herrlichkeit gesehen hatte; über ihn nämlich hat er gesprochen. Dennoch kamen sogar von den führenden Männern viele zum Glauben an ihn; aber wegen der Pharisäer bekannten sie es nicht offen, um nicht aus der Synagoge ausgestoßen zu werden. Denn sie liebten die Ehre der Menschen mehr als die Ehre Gottes.
Denen, die Jesus zuhörten, fiel es schwer, seine Worte einfach aufzunehmen und ihm Vertrauen zu schenken. Zeichen hatte der Herr genug vor ihren Augen getan, die über jeden Zweifel erhaben waren. Warum also nicht einfach glauben und sich anvertrauen? In der Person Jesu kam das Licht in diese Welt, und der Herr hat die Menschen eingeladen, in diesem Licht zu wandeln, zu “Söhnen des Lichtes” zu werden.
Zu seinen Jüngern sagte bei einer anderen Gelegenheit: “Ihr seid das Licht der Welt” (Mt 5,14), denn sein Licht leuchtet in denen, die an ihn glauben, und wie sehr verlangt es Jesus danach! Wer aber nicht in dem Licht wandelt, das in seiner Person zu den Menschen kommt, wird nicht auf die Finsternis vorbereitet sein, wenn sie sich ausbreitet.
Warum also konnten und wollten manche der Juden, vor allem ihre Führer, nicht glauben?
Zur Erklärung wird ein Wort des Propheten Jesaja zitiert: “Er hat ihre Augen blind gemacht und ihr Herz hart, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.” (vgl. Jes 6,10)
Im Alten Testament begegnen wir noch nicht der feinen Unterscheidung zwischen der Zulassung Gottes und seinem konkreten aktiven Willen. Diese Unterscheidung ist jedoch sehr wichtig, um nicht ein falsches Gottesbild zu bekommen. Gott verhärtet das Herz des Menschen nicht von sich aus, denn er möchte ein hörendes, offenes und liebendes Herz. Doch um der Freiheit willen läßt Gott es zu, daß der Mensch sich gegen die Wahrheit und die Liebe stellt und so sein Herz verhärtet.
In den vorangegangenen Betrachtungen des Johannesevangeliums konnten wir es ja sehr gut wahrnehmen, wie das Angebot des Herrn im Laufe seines öffentlichen Auftretens immer wieder zurückgewiesen wurde. Die Zeichen seiner göttlichen Vollmacht wurden abgelehnt und die Herzen jener, die sich als Feinde Gottes erwiesen, verfinsterten sich bis zu einem tödlichen Hass. Auf diese Weise waren sie nicht mehr in der Lage zu sehen, waren geistig blind und konnten keine Frucht bringen, wie es bei Jesaja hieß: “damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen”.
In einem solchen Zustand bekehren sie sich auch nicht zu Gott, denn der Weg ist verschlossen. Auch die Ohren werden taub und die Botschaft des Herrn kann nicht in sie eindringen. So wird keine Heilung des Herzens geschehen, die der Herr den Menschen bringt, und wie unendlich nötig ist diese Heilung, wenn sich das Herz durch die Sünde verfinstert hat und die schlechten Neigungen Herrschaft über den Menschen gewonnen haben. Wie mühsam ist es, diese in der Gnade Gottes zu überwinden und ein neues Herz zu bekommen! Doch durch die Begegnung mit Jesus beginnt das Herz zu heilen, denn es findet die Liebe, die es erschaffen und erlöst hat, und es kann sich dieser Liebe ohne Angst überlassen.
Trotz der massiven Anfeindungen gegen Jesus fanden auch führende Männer zum Glauben. Doch sie wagten es nicht, sich öffentlich zu ihm zu bekennen, was einerseits auf eine sehr dominante Ausübung der religiösen Autorität hinweist, andererseits auf ihre Menschenfurcht. Hinzu kam die Angst, aus der Synagoge ausgestoßen zu werden und so das Ansehen zu verlieren.
Die Entscheidung, Jesus zu folgen, und damit der erkannten Wahrheit, ist maßgebend. Sie darf nicht zurückgestellt oder gar vermieden werden, weil man die Menschen mehr liebt als Gott. Das ist damals nicht anders als heute. Selbst innerhalb der Kirche, die unter starkem Einfluß modernistischer Tendenzen in Gefahr ist, die ihr anvertraute Botschaft zu verwässern oder gar zu verleugnen, ist diese Entscheidung notwendig. Wenn z.B. andere Religionen als Weg zu Gott bezeichnet werden, gilt es sich zu entscheiden, denn die Kernbotschaft der Erlösung durch den Gottessohn darf nicht verfälscht werden. Man muß der Botschaft Christi und der authentischen Lehre der Kirche treu bleiben, selbst wenn man dann an den Rand gedrängt oder verfolgt würde!