Joh 1,6-18
Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Gott schenkt seinem Volk und damit auch der ganzen Menschheit einen glaubwürdigen menschlichen Zeugen, der für den Sohn Gottes Zeugnis ablegen soll: den großen Propheten Johannes, von dem Jesus bezeugt, daß kein Größerer als er von einer Frau geboren wurde (Mt 11,11). Seine Aufgabe war es, die Menschen auf das Kommen des Messias vorzubereiten und sie zur Umkehr aufzurufen.
Der Ruf zur Umkehr zieht sich durch die ganze Heilige Schrift und ist auch in unserer Zeit nicht etwa verstummt. Die Menschen sollen sich von falschen Wegen abwenden und auf die Einladung der Liebe Gottes antworten. Sie können nicht in ihrer Finsternis bleiben, wenn sie dem begegnen, der das wahre Licht ist, ohne in das Unglück und in die Fallstricke des Bösen zu geraten. Wenn auch die Geduld Gottes unermeßlich ist und den Menschen immer wieder bis zur Stunde seines Todes ruft, kann der Mensch sich dennoch verschließen und der Ruf eines Johannes des Täufers ungehört bleiben.
Gott, unser Schöpfer und liebender Vater, kam in seinem Sohn in diese Welt, um den Menschen seine Liebe zu offenbaren, aber sie nahmen ihn nicht auf, wie es im Text heißt. Auch heute müssen wir diese Worte voll Schmerz wiederholen. Wie oft steht unser Herr vor der Tür eines Herzens, und man läßt ihn nicht eintreten! Dann kann sich das nicht erfüllen, daß das Licht ihn erleuchtet, ihm die Güte Gottes erschließt und ihn fähig macht, der Einladung zu folgen, als Kind Gottes zu leben.
Aber es gibt auch Menschen, die ihn aufnehmen. Welche Verwandlung kann dann geschehen! Der Text spricht von der Macht, Kinder Gottes zu werden. Es ist die Macht der Liebe, die nun mehr und mehr die Beziehung zwischen Gott und uns Menschen bestimmt. Je tiefer dieses Licht in uns eindringt, je mehr wir fähig werden, es aufzunehmen und in diesem Licht zu wandeln, desto selbstverständlicher und vertrauter wird die Beziehung zu unserem himmlischen Vater. Es wird uns geschenkt, daß die so schmerzlichen Folgen des Verlustes des Paradieses, nämlich die ungestörte, liebende und familiäre Beziehung zu Gott, neu entstehen kann.
In der Tiefe unseres Seins mag auf diesem gnadenreichen Weg die nicht selten empfundene existentielle Verlorenheit des Menschen, der nun außerhalb des Paradieses leben muß, Heilung finden. Er kommt nach Hause und weiß sich nicht mehr länger in ein bodenloses kosmisches Nichts geworfen, sondern von der Liebe eines Vaters umfangen. Es ist dieser trauten Beziehung mit Gott zu eigen, daß die Kinder Gottes Macht über das Herz ihres Vaters gewinnen, indem sie »aus Gott geboren« sind und in dem geschenkten Licht Gottes Zugang zu seinem Herzen haben.
Dieses »aus Gott geboren sein« ist in der Tat eine neue Geburt, die wir in der Kirche im sakramentalen Bereich als die heilige Taufe verstehen und die ihre Gnade entfaltet, wenn wir dem Geist Gottes folgen. Dann sehen wir sowohl den Herrn als auch diese Welt immer mehr in seinem Licht. Es ist der Heilige Geist, der in uns wirksam ist, der diese Neugeburt begleitet und dafür sorgt, daß wir – wenn wir seinen Weisungen folgen – im Geist des Herrn zum Erwachsenenalter heranreifen.
Das Gesetz des Herrn war der Zuchtmeister in den Zeiten vor dem Kommen des Herrn, um Israel vorzubereiten. Jetzt, mit dem Kommen des Sohnes Gottes, erfüllen sich die Verheißungen. Das Herz Gottes ist weit geöffnet für die ganze Menschheit, und dies ist das Tor: „Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“
Johannes weiß es und auch wir wissen es. So viele Menschen sollen es noch erfahren, daß die Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus gekommen sind. Werden wir nie müde, das zu glauben und zu verkünden!