Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich über das in der Ostkirche praktizierte Herzensgebet gesprochen bzw. geschrieben. Ich empfehle, die dreiteilige Betrachtung im Archiv nachzulesen bzw. zu hören[1]. Es gibt auch Literatur, um über dieses wertvolle Gebet und seine Geschichte mehr zu erfahren.
Wenn es in dieser Woche um die Vertiefung der Beziehung zu Jesus geht, um seine tiefere Einwohnung in unseren Herzen, dann komme ich immer wieder auf dieses Gebet zurück. Es ist für Seelen, die Stille und Sammlung suchen, nahezu unverzichtbar. Ich selbst praktiziere es seit fast vierzig Jahren, und es ist aus meinem Leben nicht wegzudenken. Jeder, der den geistigen Geschmack dieses Gebetes gekostet hat, wird mir zustimmen und verstehen, warum ich das Jesusgebet allen Christen ans Herz lege. In seiner Schlichtheit ist es unübertreffbar und darüber hinaus geeignet, es überall zu beten. Deshalb möchte ich nochmals einige Hinweise über dieses wertvolle Gebet geben.
Dort, in unserer Herzenskammer, in trauter Gemeinschaft mit dem Herrn, kann uns niemand die Türen verschließen. Dort, in unserem Inneren, wo wir der Heiligen Familie Herberge geben, verwandeln wir uns unter dem Einfluß des Heiligen Geistes in einen Tempel Gottes (vgl. 1 Kor 3,16). Dort muß der draußen bleiben, der wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, wen er verschlingen kann (vgl. 1 Petr 5,8). Wir können die heiligen Engel bitten, daß sie durch ihre besondere Gegenwart an den Pforten dieses inneren Tempels ihren Wächterdienst wahrnehmen, damit die Anbetung des Lammes Gottes auch in einer zunehmend antichristlichen Verfolgung auf der Erde niemals aufhört.
Das Herzensgebet in seiner klassischen Form lautet: “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner (unser)!”
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Gebet zum reichen Schatz der Kirche gehört und vor allem von orthodoxen Christen viel gebetet wird. Es ist keine Anleihe an Meditationspraktiken anderer Religionen, sondern es ist ein genuin christliches Gebet. Derzeit findet diese Form des Gebets auch mehr den Zugang in unsere römisch-katholische Kirche. Es vermag das Verlangen nach Stille und Sammlung auf fruchtbare Weise zu beantworten.
Der Metropolit Dr. Serafim Joantă, schreibt:
“Das Jesusgebet ist auch ein trinitarisches Glaubensbekenntnis in sehr konzentrierter Form. In ihm bekennen wir Jesus als den Sohn Gottes und wahren Gott; wir bekennen auch Gott-Vater als Vater unseres Herrn Jesus Christus und wir bekennen auch, wenn auch indirekt, den Heiligen Geist, denn niemand kann sagen, daß Jesus Gott ist, wenn er nicht im Heiligen Geist ist (vgl. 1 Kor 12,3). Eigentlich betet der Heilige Geist in uns und für uns, und dies mit unaussprechlichen Seufzern (vgl. Röm 8,26). Das Jesusgebet ist, wie jedes andere Gebet, ein Gebet im Heiligen Geist.”
Man kann es leise vor sich hinsprechen, man kann es singen, wie Harpa Dei es in einem Video getan hat[2]. Man kann es im Herzen sprechen, was auf Dauer wohl die geeignete Weise ist, wenn man schon eine gewisse Übung erlangt hat.
Für Anfänger empfiehlt es sich, besonders am Morgen, mit einigen Minuten zu beginnen. Manche verbinden das Gebet auch bewußt mit dem Atem, sodaß sie beim Einatmen “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes” und beim Ausatmen “erbarme Dich meiner!” beten. Hilfreich und in der Praxis der Mönche sehr verbreitet ist die Verwendung eines Gebetskranzes (Chotki). Der große Kranz hat hundert Perlen oder Knoten. Man spricht still das Gebet und läßt dabei den Gebetskranz durch die Hände gleiten. Wenn man keinen Gebetskranz hat, kann auch der Rosenkranz verwendet werden.
Wie uns die geistlichen Lehrer des Herzensgebetes vermitteln, wird das Herz durch das Gebet gereinigt, die Gedanken ordnen sich und durch die Anrufung des Namens des Herrn werden wir auf Gott und unser eigenes Herz hingelenkt. Wir treten also tiefer in das Innere unserer Seele ein, wo Gott sich seinem eigenen Wort gemäß niederläßt (vgl. Joh 14,23) und wo wir ihm immer tiefer begegnen können. Die grandiose Einfachheit des Gebets hilft uns, die äußeren Sinne zu zügeln und zur Ruhe zu bringen. Das erlaubt dem Heiligen Geist, seine Gegenwart so tief in uns einzusenken, daß sie für uns sogar spürbar werden kann. Die Väter des Gebetes sprechen von einer »inneren Wärme«, die durch das intensive Gebet im Herzen entsteht.
Wenn wir dieses Gebet regelmäßig praktizieren, werden wir merken, wie unser Herz mit der Zeit danach verlangt, es – je nach objektiver Möglichkeit – zu vervielfältigen. Immer wieder werden wir geeignete Momente suchen, um uns ins Gebet zurückzuziehen. Wenn wir schon ein wenig eingeübt sind im Gebet, werden wir noch stärker wahrnehmen, daß es sich in seiner Einfachheit wunderbar eignet, überall gebetet zu werden. Wir könnten sagen, daß sich mithilfe dieses Gebets eine Art »innere Mönchszelle« bildet, in die wir selbst in äußerlich umtriebigen Situationen einkehren können, beispielsweise beim Autofahren, in Warteräumen und bei vielen anderen Gelegenheiten. Dieses Gebet wird uns helfen, in die innere Stille einzukehren, auch wenn die äußere Stille nicht gegeben ist.
Damit beende ich diesen kleinen Einblick in das Herzensgebet, das sich sehr gut als Vorstufe zur Kontemplation eignet und die Liebe zu Jesus vertieft, damit er immer mehr in unserem Herzen wohnen kann und seine Liebe uns in allem formt.
Betrachtung zum Tagesevangelium: https://elijamission.net/10452-2/#more-10452
[1] Text und Audio in drei Teilen: https://www.elijamission.net/?s=Herzensgebet
[2] https://www.youtube.com/watch?v=mfzXHDBSaIQ

