In den letzten Tagen wurden uns mit den Lesungen aus dem 2. Buch der Makkabäer (Kap. 6–7) sehr beeindruckende Beispiele von Glauben, Treue und Tapferkeit vor Augen gestellt. Deshalb habe ich mich entschlossen, einen kleinen Exkurs über die Tapferkeit, eine der Kardinaltugenden, einzufügen. In diesen Zeiten der Verwirrung ist es besonders wichtig, diese Tugend anzustreben und zu praktizieren, um den Versuchungen verschiedenster Art widerstehen zu können. Orientieren wir uns an den Personen, die uns in den Lesungen der vergangenen Tage entgegengekommen sind und uns gezeigt haben, daß Gehorsam und Treue gegenüber Gott höher stehen als alle irdischen Werte und daß es mit der Hilfe Gottes sogar möglich ist, die Angst zu überwinden.
Tapferkeit bedeutet nicht, frei von Ängsten zu sein. Sie ist nicht das Ideal des furchtlosen Menschen, wie es uns in verklärten Heldengeschichten vermittelt wird. Auch ein ängstlicher Mensch kann durch die Gnade Gottes tapfer werden, denn diese Fähigkeit wird ihm von Gott geschenkt. Allerdings muß er sie einüben und sie sich auf diesem Weg erwerben. Wir können nicht verhindern, daß uns eine Angst überfällt, ohne daß wir etwas dazutun, aber wir können Akte setzen, damit sie uns nicht lähmt und daran hindert, das auszuführen, was uns aufgetragen ist.
Das allerdings müssen wir tun, und auf diesem Weg üben wir uns in der Tapferkeit. Wir verhandeln nicht mit der Angst, sondern überwinden sie mit Gottes Gnade, selbst wenn wir dabei ein klopfendes Herz und schweißgebadete Hände haben!
Deshalb sollten wir auch Schwierigkeiten nicht grundsätzlich ausweichen und vor ihnen flüchten. Die Tugend der Klugheit wird uns lehren, wann es angebracht ist, den Kampf aufzunehmen, und wann es besser ist, die Situation anders zu bewältigen. Doch sollte diese Entscheidung nicht von der Ängstlichkeit bestimmt sein. Die Tapferkeit kommt uns zu Hilfe und wird zu einer grundsätzlichen Haltung. Alles, was auf uns zukommt, gilt es im Herrn zu bewältigen, und das, was Gott wohlgefällig ist, sollten wir auch dann tun, wenn es Anstrengung und Mühsal mit sich bringt.
Der Tapfere leidet nicht einfach um des Leidens willen, um selbstsüchtige Ziele zu erreichen oder um niedere Güter zu gewinnen. Bei ihm geht es um etwas Höheres. Das muß man festhalten, wenn man die Tapferkeit verstehen will, damit man sie nicht mit Tollkühnheit verwechselt. Um des Höheren willen ist der Tapfere bereit, Leiden und Nachteile auf sich zu nehmen und auch standhaft zu bleiben. In den Beispielen der letzten Tage ging es um das Höchste, nämlich dem Willen Gottes gehorsam zu sein.
In einer Welt, die dem Glauben gegenüber zunehmend feindselig ist, ist heute unsere Tapferkeit gefragt, wie der folgende Text gut aufzeigt. Er ist einem Artikel von Prof. Joseph Schuhmacher zum Thema: „Die Kardinaltugenden und ihre Bedeutung für das christliche Leben“ entnommen.
“Das Evangelium, die Botschaft der Kirche, steht notwendigerweise gegen die Botschaften dieser Welt. Jesus erklärt: ‘Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe’ (Mt 10,16; Lk 10,3). Er selbst wird von den Machthabern dieser Welt dem Tod ausgeliefert. Die Widerständigkeit des Evangeliums im Hinblick auf die Welt gehört so sehr zu seinem Wesen, daß die Zustimmung der Welt als Ganzer zu dieser Botschaft bedenklich machen müßte im Hinblick auf ihre Identität. Wenn die Kirche der Welt das sagt, was sie ohnehin schon weiß und denkt, dann geht es ihr gut, dann ist sie in Sicherheit. Wie will sie dann aber vor Gott bestehen können? Die Tugend der Tapferkeit ist rar geworden in der Kirche aufgrund des geschwächten Glaubens. Angesichts der Widerständigkeit der Welt gegen das Gute und gegen das Evangelium und gegen die Botschaft der Kirche, ist die Auseinandersetzung ein wesentliches Element im Leben des Christen. In der Auseinandersetzung bedarf er aber der Tugend der Tapferkeit. Anpassung an die Welt ist Verrat an der Sache Gottes. Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen. Paulus ermahnt die Gläubigen der Gemeinde von Rom und mit ihnen ermahnt er uns mit den Worten: ‘Ihr dürft euch der Welt nicht gleichförmig machen!’ (Röm 12, 2). Bekämpft werden muß das Böse in uns und um uns, damit wir das sein können, was wir nach dem Willen Gottes sein sollen. Wer alles einsetzt, wird alles gewinnen.”
Es ist ein immer aktuelles Thema, das wir morgen fortsetzen werden.
Halten wir fest: Es braucht Tapferkeit, um dem Evangelium Tag für Tag treu zu bleiben und die Kämpfe anzunehmen, die uns aufgetragen sind. Je mehr wir uns in die Tapferkeit einüben, desto mehr kann uns der Herr formen, sodaß wir nicht nur von seinem Tisch essen, sondern auch das Kreuz tragen, das auf unserem Weg liegt.

