Durch den Glauben, das heilende Wort Gottes, die Vergebung der Sünden und die Heilkraft der Sakramente wird der Mensch aus seiner Verlorenheit immer mehr in die Nähe Gottes geführt. Seine heilende und stärkende Gegenwart entfaltet das neue Leben aus Gott in der Seele des Menschen. Dieses neue Leben, welches das Bild Gottes im Menschen wieder erstehen läßt, braucht täglich Nahrung, damit es wachsen und reifen kann. Gott reicht uns diese Nahrung auf den Wegen, die wir bereits betrachtet haben. Ganz besonders nährt uns ein kontinuierliches Gebetsleben.
Die heilige Teresa von Ávila, eine Meisterin des inneren Gebetes, bezeichnet das Gebet als »das große Gespräch mit Gott«. Durch das Gebet richtet sich unsere Seele auf Gott aus und wird für ihn empfänglich. Gott selbst ruft uns zum Gebet, und es ist der Heilige Geist, der uns immer tiefer ins Gebet führt.
Der betende Mensch – wobei verschiedene Gebetsweisen die Vergegenwärtigung Gottes auf unterschiedliche Weise schenken – wird aus seiner inneren Isolation herausgeführt und erfährt immer selbstverständlicher die liebende Gegenwart des Herrn.
Das Gebet wird zu einem inneren Austausch der Liebe mit Gott, der das Vertrauen zu ihm und die ständige Verbindung mit ihm wiederherstellt. Gerade diese Wiederherstellung des Vertrauens zu Gott wirkt heilend auf das menschliche Herz, denn der Verlust des Vertrauens oder dessen Einschränkung auf bestimmte Bereiche bringt eine schwere Störung der gottgewollten Beziehung zwischen Gott und der Seele mit sich.
Wenn Angst und Mißtrauen den Menschen beherrschen, dann ist seine Seele unheil, denn sie verdunkeln das Leben. Das gilt sowohl in der Beziehung zu Gott, als auch in der Beziehung zum Nächsten. Diese Gefühle drohen den Menschen sogar vollständig zu beherrschen. Je stärker sie wirksam sind, desto düsterer, unfruchtbarer und freudloser wird das Leben.
Das rechte Gebet nun, welches diese Gefühle bewußt zu Gott trägt und ihn um Befreiung anruft, erlaubt dem Heiligen Geist, sie zu berühren. Durch diese Berührung entkrampfen sich die negativen Gefühle. Wenn wir zugleich um Vertrauen zu Gott bitten, dann befreit sich unsere Seele aus der Umklammerung dieser negativen Empfindungen.
Das Gebetsleben ist nicht primär eine uns auferlegte Verpflichtung, damit wir Gott nicht vergessen, ihn ehren und uns vor dem Bösen schützen. Es ist vielmehr eine Einladung, eine innige Liebesbeziehung zu Gott zu pflegen und ihn in diesem großen Gespräch besser kennen und lieben zu lernen. Gott selbst kann sich uns im Gebet immer mehr mitteilen und unsere Seele an sich ziehen. Um der Freiheit der Liebe willen soll das Gebet keinem unfruchtbaren inneren Zwang unterliegen, wohl aber bedarf es der Disziplin, die uns hilft, nicht den Schwankungen unserer Natur ausgeliefert zu sein.
Wenn wir das Gebet als »Pflege der Liebesbeziehung zu Gott« kennenlernen, werden wir von manchen Zwängen befreit, die unser Gebetsleben noch belasten können und damit auch die Seele verdunkeln. So kann beispielsweise ein verinnerlichter Leistungsdruck auf uns liegen, so viele Seelen wie möglich durch unser Gebet retten oder Sühne für viele Sünden anderer Menschen leisten zu wollen. Ohne diese edlen Motive etwa infrage zu stellen oder die Wichtigkeit solcher Gebete auch nur im Geringsten zu mindern, ist doch darauf zu achten, daß das Gebet nicht von einem starken »Muß« bestimmt wird, sondern daß es in allen Phasen den Geist der Freiheit atmet. Die Begegnung mit Gott und das Leben mit ihm führen uns ja gerade in die Freiheit der Kinder Gottes, die jedoch nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden darf. Sie befreit uns aus Zwängen aller Art und schenkt uns die Freude als Frucht.
Wahre Freude – die Freude an Gott und an allem, was er geschaffen und für uns Menschen getan hat – ist ein wirksames Heilmittel für die Seele und eine Frucht des Heiligen Geistes. Sie verklärt und beschwingt das Leben im Lichte Gottes und ist bereits schon ein Ausdruck der Heilung und Gesundung der Seele. Der Mensch nimmt eine bejahende Haltung gegenüber dem Leben und seinen Herausforderungen ein. Im Lichte der wachsenden Liebe wird seine Seele gesund und gestärkt.
Es bleibt jedoch der Kampf, den wir alle in unserem Erdendasein auszutragen haben, damit wir die von Gott empfangene Gnade nicht wieder verlieren, sondern mit ihr mitwirken. In diesem Kampf sind wir jedoch nicht schutzlos ausgeliefert, sondern wir stellen uns ihm mit der im Herrn gekräftigten Seele, ohne primär auf die eigene Kraft zu vertrauen. Sie weiß, daß dieser Kampf ihr hilft, weiterhin zu wachsen und ihre Aufgabe zu erfüllen.