Um im geistlichen Leben Fortschritte zu machen, ist es wesentlich, auf den Heiligen Geist zu hören. Er ist unser innerer Lehrer und Führer. Wenn wir mit ihm vertrauter werden, lernen wir diese »innere Stimme« immer besser verstehen, und wenn wir ihr folgen, wird unser Weg geschmeidig und behende.
Nachdem der Heilige Geist uns zur ersten Bekehrung geführt hat, wird er weiter in uns wirken. Mit der ersten Bekehrung meine ich diesen entscheidenden Moment, in dem eine klare Entscheidung getroffen wird, Jesus nachzufolgen und ihm nichts vorzuziehen. Eine vage und unentschiedene Haltung Gott gegenüber kann also nach der ersten Bekehrung nicht mehr bestehen. Zur Vertiefung kann man meinen Vortrag in YouTube anhören: »Die erste Bekehrung und die Schritte danach«
So wie die Entscheidung, die wir bei der ersten Bekehrung treffen, unsere authentische Antwort auf die Liebe Gottes ist, bedarf es auch für jeden weiteren Schritt auf dem Weg der Heiligung unserer Antwort.
“Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen” (Röm 5,5). Wir haben das grundsätzliche Ja zu diesem Werk Gottes in uns gesprochen. Nun führt der Heilige Geist dieses Werk weiter. Dabei ist er auf unsere Mitwirkung angewiesen, damit wir all die Schritte vollziehen, die auf unserem Weg liegen. Der Heilige Geist zwingt uns nicht, denn Zwang ist dem Wesen der Liebe fremd. Er lockt, wirbt, erinnert, mahnt, verhindert auch manchmal falsche Wege, aber er nötigt uns nie, denn das würde unsere Freiheit beeinträchtigen.
Damit haben wir schon ein erstes Kriterium, wie wir das Wirken des göttlichen Geistes erkennen können. Selbstverständlich kann und soll der Heilige Geist uns auch deutlich mahnen, denn wir haben Gott unser Ja gegeben und wollen nicht stehenbleiben oder gar zurückgehen.
Betrachten wir den Heiligen Geist doch als unseren göttlichen Freund und Lehrer! Er möchte nichts anderes, als daß wir immer mehr zur Liebe erwachen und das werden, was wir vom Ruf Gottes her sind: seine geliebten Kinder, die gerne den Willen unseres Vaters tun und ganz mit diesem Willen vereint sein möchten.
Mit der Vereinigung des Willens Gottes mit unserem Willen ist auch schon das Ziel des geistlichen Weges angesprochen. Jeder authentische geistliche Weg hat die Willensvereinigung mit Gott als Ziel. Wenn wir im Vaterunser beten: “Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!” (Mt 6,9), dann gilt das genauso für unser Leben: So wie der Wille Gottes im Himmel geschieht, möge er sich auch in uns erfüllen!
Wir wissen also, wer unser Führer, Lehrer und gleichzeitig auch unser göttlicher Freund ist, und wir kennen das Ziel. Viele Begleiter werden uns stützen, besonders die geliebte Gottesmutter Maria, die heiligen Engel und die Heiligen, die auf uns im Jenseits warten; natürlich dürfen wir auch auf manchen klugen Rat von geistlichen Menschen auf der Erde hoffen.
Wenn wir uns im Rahmen der authentischen Lehre der Kirche und ihrer Moral bewegen und uns nicht von modernistischen Verirrungen beeinflußen lassen, stehen wir auf sicherem Boden. Die heiligen Sakramente tun ein Übriges, indem sie uns immer wieder in unserer Schwachheit zu Hilfe kommen und uns mit dem himmlischen Manna auf unserem Weg durch die »irdische Wüste« speisen. Haben wir also Mut und vertrauen uns der Führung Gottes so an, wie es die Jungfrau Maria tat, dann werden wir durch die Gnade Gottes ans Ziel kommen.
- Die Tugenden
Wir kennen die sog. »theologischen Tugenden« und die menschlichen oder sittlichen Tugenden, die durch rein menschliche Anstrengung erworben werden können. Während Gott die theologischen Tugenden in seiner Kraft allein und ohne unsere Mitwirkung eingießt, hat er uns die sittlichen Tugenden am Tag der Taufe als Samen eingepflanzt, überläßt dem Menschen aber die Aufgabe, sie durch Entscheidungen des Willens und Einübung weiter zu entfalten, immer geleitet von der Gnade Gottes. Vier dieser moralischen Tugenden sind besonders hervorzuheben, weshalb sie als »Kardinaltugenden« bezeichnet werden: Besonnenheit, Mäßigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit.
Wenn auch die Klugheit unter den Kardinaltugenden den Vorrang hat, so schauen wir heute in Bezug auf die Nachfolge des Herrn primär auf die Tugend der Tapferkeit. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Gabe des Heiligen Geistes, die wir die »Gabe der Stärke« nennen.
Die Entfaltung dieser Tugend durch unseren Willen hat große Bedeutung. Sie lehrt uns, Widrigkeiten zu ertragen und nicht gleich beim geringsten Widerstand auf dem Weg der Nachfolge Christi aufzugeben. Es kann leicht geschehen, daß uns die Angst überfällt oder andere uns Angst machen, der neu begonnene Weg sei zu steil und zu schwierig für uns. Auch sind wir mit unseren Schwächen konfrontiert, was uns leicht einschüchtern kann.
Hinzu kommt, daß nicht selten unsere Umgebung dem Glauben fremd oder gar feindlich gegenübersteht. Vielleicht wird er von anderen sogar als lächerlich oder verstiegen dargestellt. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß schon früh gewisse Verfolgungen um des Glaubens willen einsetzen oder man an den Rand gedrängt wird.
Das Schwierigste wird wohl sein, wenn wir das Gefühl haben, an uns selbst zu scheitern, wenn uns der Mut verläßt und die Zuversicht schwindet. Dann ist man leicht geneigt, aufzugeben oder die Herausforderung des geistlichen Lebens abzuschwächen und den Weg des geringsten Widerstands zu suchen.
Wir müssen uns klar sein, daß sowohl unsere gefallene menschliche Natur als auch die Welt und insbesondere der Teufel alles daransetzen, uns von einem intensiveren Weg abzubringen. Letzterer fürchtet, daß er seinen Einfluß auf die Seele verlieren könnte und daß ihm durch den Eifer des Bekehrten womöglich noch andere Menschen entrissen und für das Reich Gottes gewonnen werden.
Die Natur fürchtet die eingebildeten oder tatsächlichen Anstrengungen auf dem Weg der Nachfolge, die Askese und Einschränkungen im sinnlichen Bereich.
Die Welt in ihrer Eitelkeit will uns nicht loslassen und preist sich selbst als äußerst erstrebenswert an.
Die Tugend der Tapferkeit jedoch hält – was immer auch kommen mag – in der Gnade Gottes am begonnenen Weg fest. Das bedeutet nicht, daß wir etwa keine Angst mehr hätten. Aber wer von Natur aus ängstlich ist, kann trotzdem das Richtige tun, tapfer werden und schließlich die Angst überwinden.
Die von Gott am Tag der Taufe als Same eingesenkte Tugend des Starkmuts muß sich durch Einübung zu einer erworbenen Tugend entwickeln. So wie man demütig wird durch konkrete Akte der Demut, so wird man stark und tapfer durch Akte der Tapferkeit.
Hören wir zum Schluß dieser Betrachtung eine liebenswürdige Stimme aus der Schule der Karmelitinnen. Es stammt von der heiligen Therésè von Lisieux, wie sie sich an eine ihrer Novizinnen wendet und ihr zuruft: “Es macht nichts, wenn du keinen Mut hast. Du mußt nur so handeln, als hättest du Mut!”