2 Kor 9,6-12 – Lesung am Fest des Heiligen Laurentius
Brüder! Denkt daran: Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten. Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn Gott liebt einen fröhlichen Geber. In seiner Macht kann Gott alle Gaben über euch ausschütten, sodaß euch allezeit in allem alles Nötige ausreichend zur Verfügung steht und ihr noch genug habt, um allen Gutes zu tun, wie es in der Schrift heißt: Reichlich gibt er den Armen; seine Gerechtigkeit hat Bestand für immer. Gott, der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen; er wird die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen. In allem werdet ihr reich genug sein, um selbstlos schenken zu können; und wenn wir diese Gabe überbringen, wird sie Dank an Gott hervorrufen. Denn euer Dienst und eure Opfergabe füllen nicht nur die leeren Hände der Heiligen, sondern werden weiterwirken als vielfältiger Dank an Gott.
Großzügigkeit gehört zum Wesen Gottes. Doch sollten wir nicht nur großzügig geben, sondern zudem mit einem fröhlichen Herzen, d.h. mit Freude.
Mit einer solchen Aufforderung schauen wir tief in das Herz Gottes hinein, denn der Herr möchte ja, daß wir ihm ähnlich werden. Dazu gehört, daß wir unser kleines, oft so enges Herz, weit machen. Mit jeder Geste des Gebens – auch wenn wir uns dabei manchmal überwinden müssen – öffnen wir die Türe für die Gnade Gottes, die sich uns so reichlich mitteilt. Gott ist nicht nur großzügig; er ist der Großzügige selbst, sein Wesen ist es also, reichlich zu geben, seine Liebe in reichem Maß zu schenken, ja, im Überfluß.
Es geht in diesem Text nicht nur um das Teilen materieller Güter, was für uns leicht zu verstehen ist. Die Aufforderung zum Teilen geht weit über das Materielle hinaus, schließt es aber ein. Wenn wir nicht imstande sind, das zu teilen, werden wir auch kaum bereit sein, geistliche Güter großzügig zu teilen.
Dies ist eine Sache des Herzens, hat also mit der Liebe zu tun. Die wahre Liebe hilft uns, über uns hinauszuwachsen. Denken wir an die Liebe einer guten Mutter, die bereit ist, für ihr Kind alles zu tun. Sie wird nicht vorrechnen oder nachrechnen, was sie getan hat, sondern tut es einfach aus Liebe zum Kind.
Ist diese Liebe von Gott tief in die Natur der Frau eingesenkt (es gehört zu den mehr als befremdlichen Dingen, daß eine Mentalität wächst, welche »das Selbstverständliche« nicht mehr selbstverständlich sein läßt) – so wird diese natürliche Liebe noch weit übertroffen, wenn sie zu einer übernatürlichen Liebe wird.
In der übernatürlichen Liebe öffnet sich das Herz für die ganze Menschheit. Wenn wir die Menschen mit den Augen Gottes anschauen, wenn seine Güte und Großzügigkeit mehr und mehr unser Herz erfüllt, dann sind uns nicht nur die materiellen Bedürfnisse der Menschen ein Anliegen, sondern vor allem ihre spirituellen. Die Sorge um das Heil der Menschen ist es, welche den Heiligen Paulus antreibt. Gleichzeitig läßt er aber auch für die Armen in Jerusalem sammeln (1 Kor 16,1-4). Beides gehört zusammen, so wie es bei Gott selbst der Fall ist.
Nachdenklich und zurückhaltend müßte es uns allerdings machen, wenn zu bemerken wäre, daß sich die Kirche mehr um das materielle Heil des Menschen kümmert als um sein ewiges Heil. Die Jünger zogen ja nicht in erster Linie aus, um den Menschen irdisches Brot und Nahrung zu bringen und ihnen in gesellschaftlichen Fragen beizustehen, sondern ihre Großzügigkeit bestand darin, ihr ganzes Leben für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen. Reichlich säten sie und reichlich ernteten sie auch.
Das Entscheidende bei der Aufforderung des Apostels ist die Haltung des freien und auf Gott bezogenen Gebens – ohne zu rechnen.
Der Herr schenkt einfach aus der Liebe seines Herzens heraus. Diese Haltung sollen wir erlernen und die Liebe in unserem Herzen zur Entfaltung kommen lassen, welche zu einer solch grundsätzlich schenkenden Haltung führt.
Dann werden wir geben ohne zu rechnen.
Dann beten wir für die Menschen ohne zu rechnen.
Dann geben wir das Evangelium weiter ohne zu rechnen,
denn es erwartet uns ein anderer Lohn:
Das Wachsen in der Liebe und damit die Nähe Gottes.