Apk 4,1-12
Ich, Johannes, sah: Eine Tür war geöffnet am Himmel; und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte und die wie eine Posaune klang, sagte: Komm herauf und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muß. Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer, der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah. Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt. Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes. Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler. Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war und er ist und er kommt. Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen, dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen: Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
Die Anbetung der Majestät Gottes: Hier geschieht sie durch die heiligen Engel und die Ältesten. Wie wichtig ist es, diese Dimension nicht zu verlieren! Gerade dann, wenn wir Kinder Gottes sind und in die vertrauteste Beziehung zu Gott, unserem Vater hineingerufen sind, dürfen Gesten, die der ehrfürchtigen Liebe entsprechen, nicht fehlen. Es ist ja nicht so, als ob Gott diese Gesten nötig hätte. Es sind Gesten, die der Wahrheit entsprechen und die in die rechte Haltung Gott gegenüber führen, damit all seine Geschöpfe ihm die Ehre erweisen und von seiner Herrlichkeit erfaßt werden. Der Mensch ist es, der diese Gesten der Anbetung benötigt. Wenn er sie verliert, beraubt er sich selbst jener Schönheit, welche im anbetenden Akt liegt; jener Schönheit, die wir im heutigen Text in der Anbetung der Engel und Ältesten wahrnehmen können.
Wenn ich in Jerusalem bin, habe ich die Gnade, jeden Tag vor dem Kreuz beten zu dürfen, an jenem Ort, an dem der erhöhte König sein Leben für uns Menschen hingab, um den Willen des Vaters zu erfüllen. Es kommen viele Menschen und man kann die unterschiedlichen Haltungen wahrnehmen. Manche sind sich wohl kaum der Bedeutung dieses Ortes bewußt, aber man sieht auch Gesten von größter Ergriffenheit und Ehrfurcht. Bei den orthodoxen Christen ist es üblich, sich vor Gott auf den Boden zu werfen und tiefe Ehrfurcht zu bezeugen. Dabei lassen sie sich durch die Gegenwart anderer Menschen nicht im Geringsten stören. Besonders fällt das bei den Äthiopiern auf. Andere knien ergriffen vor dem Kreuz und verharren lange vor dem Herrn. Auch wenn sie den Thron Gottes nicht sehen – im Gegensatz zu den Engeln und Ältesten – so drücken sie im Glauben ihre ganze Ehrfurcht vor Gott aus. Welche Würde geht von solchen Gläubigen aus und wie einladend sind diese Gesten – bei jedem auf die ihm eigene Weise -, um Gott die Ehre zu geben.
Auch das Schweigen vor dem Herrn gehört zu dieser Dimension der Anbetung Gottes. Das eigene Wort verstummt, man gibt Gott den Raum, mit seiner wunderbaren Gegenwart den Ort zu erfüllen. Wie ehrfurchtgebietend ist eine würdig gefeierte Liturgie! Wie banalisiert wirkt sie hingegen, wenn durch Unruhe und Geschwätz ihr heiliger Glanz nicht richtig empfangen wird, wenn die heilige Stille und Ehrfurcht in der Liturgie verlorengehen oder der Ausdruck der Ehrfurcht von banalen weltlichen Handlungen beeinträchtigt wird.
Die rechte Ehrfurcht – welche nichts mit Angst, falschem Respekt oder serviler Unterordnung zu tun hat – formt den Menschen nicht nur in Bezug auf die Gottesbeziehung, sondern auch in der Beziehung zu anderen Menschen sowie zur ganzen Schöpfung. Sie zeichnet sich grundsätzlich durch eine Scheu aus, in Worten und Gesten ins Triviale abzugleiten. Sie lehrt uns, die Menschen »in conspectu Dei« zu sehen, und bewahrt davor, jemanden abzuwerten. Es wächst das Bewußtsein, daß jeder Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist (Gen 1,27) und berufen ist, als Kind Gottes in dieser Welt Zeugnis von der Liebe des Vaters zu geben. Selbst wenn der Mensch im Leben sein Ziel verfehlen und durch die Sünde sein Wesen eine Verunstaltung erleiden sollte, ist er von Gott her immer noch gerufen, in der Würde zu leben, die der himmlische Vater ihm geschenkt hat. Der Weg zur Umkehr steht ihm offen, und der verirrte Mensch kann zurückkehren und die ihm von Gott geschenkte Würde wiederfinden.
Wie weit sind wir von dieser Haltung oft entfernt und müssen sie vom Herrn neu lernen. Es ist schwer erträglich, wenn eine berechtigte Kritik gleichzeitig mit verletzenden Bemerkungen durchzogen ist, welche die Würde der anderen Person gerne mißachtet. Auch in einem berechtigten Ärger muß man lernen sich zu zügeln und zwischen der Sache und der Person zu unterscheiden.
Die rechte Ehrfurcht vor Gott wird uns helfen, daß auch in der Beziehung zu anderen Menschen eine ehrfürchtige Haltung erwächst. Es gilt über unser Herz zu wachen und unsere Zunge zu hüten. Von der Gottesmutter Maria können wir die rechte Liebe und Ehrfurcht Gott und den Menschen gegenüber lernen; und unser göttlicher Freund, der Heilige Geist, ist sicher bereit, uns in seine Schule zu nehmen, damit wir in der heiligen Ehrfurcht wachsen, die das Leben adelt.