Joh 15,1-8
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. (Ultram) Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.
Unsere große Berufung ist es, im Herrn zu bleiben und Frucht zu bringen. Deshalb ist es wichtig, Tag für Tag im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu wachsen.
Jesus versichert uns: “Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe.” Jetzt muß dieses Wort Gottes in seiner Wahrheit, Reinheit und Schönheit uns durchdringen, damit wir Frucht bringen. Der Herr spricht hier im Bildwort: “jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.” Mit den Reben sind wir gemeint!
In der geistlichen Lehre kennen wir diesen Begriff der Reinigung. Sie ist nötig, wenn wir wachsen wollen. Dazu ist jedoch eine Entscheidung nötig, die Heiligung unseres Lebens wirklich anzustreben. Wollen wir dem Herrn so nahe wie möglich kommen? Wollen wir – nach Möglichkeit – hundertfältig Frucht bringen (vgl. Mt 13,23)? Wollen wir neue Menschen werden, die nach dem Bilde Gottes geformt sind?
Ein großer Philosoph und Meister des Wortes, Dietrich von Hildebrand, widmet das erste Kapitel seines Buches “Die Umwandlung in Christus” dem Thema der Veränderungsbereitschaft. Er beschreibt darin, wie nötig es ist, daß wir uns verändern, bzw. von Gott verändern lassen. Ohne diesen Willen, dem Herrn ähnlicher werden zu wollen, werden wir die notwendigen Reinigungen auf diesem Weg nicht mitvollziehen oder nur sehr schwer annehmen können.
Nun sind aber gerade Reinigungen ein Zeichen der Liebe Gottes, daß er uns ernst nimmt und auf den Weg zur Vollkommenheit führen will. Kindern kann er nur leichte Speise geben. Menschen, die ihm nachfolgen wollen, kann er mit kräftigerer Speise beschenken (1 Kor 3,2).
Worum geht es bei der Reinigung unserer Seele und unseres Herzens?
Wenn wir nicht gerade völlig blind für uns selbst sind, dann werden wir unsere Egoismen wahrnehmen. Der Egoismus ist jedoch eine Liebe, die auf sich selbst gerichtet ist: Der Eigenwille möchte vor allem für sich selbst sorgen. Können wir durch die Gnade Gottes genauer hinschauen, werden wir merken, daß es sehr tiefliegende selbstbezogene Verhaltensweisen in uns gibt, die im Gegensatz stehen zum Evangelium. Nun sind diese nicht so leicht zu verändern, auch wenn wir immer versuchen sollten, nicht nach dem eigenen Vorteil zu handeln, sondern Gottes Wille und auch das Wohl der anderen in den Blick zu nehmen.
Neben unserer Willensentscheidung braucht es vor allem das Gebet, das Richtige und von Gott Vorgegebene zu wollen und auch zu tun. Gott wird uns beistehen, daß wir lernen, unseren Blick in ihm zu weiten und gemäß seinem Willen zu handeln. Wer das wirklich will, wird jeden Tag Gelegenheiten finden, sich darin einzuüben. Jede kleine Überwindung, jede Entscheidung für die größere Liebe baut den eingefleischten Egoismus ab. So arbeiten wir an unserer Reinigung mit. Es ist ja die Liebe, die uns auf diesen Weg zieht.
Doch werden unsere eigenen Bemühungen nicht ausreichen, und es heißt ja auch in dem Text, daß Gott Vater die Rebe reinigen wird. Um dies zu erreichen, läßt der Herr Schwierigkeiten und Lebensumstände zu, die wir uns nicht selbst ausgesucht hätten. Man nennt dies in der geistlichen Lehre die “passive Reinigung”. Hier geht der Umwandlungsprozess noch tiefer als durch die aktive Reinigung. Indem wir lernen, auch schwierige und leidvolle Situationen aus der Hand Gottes anzunehmen und sie in seinem Geist zu tragen und zu ertragen, wird unsere Liebe wachsen. Noch mehr werden wir von der Anhänglichkeit an uns selbst gereinigt und können uns in größerer Tiefe dem Herrn schenken.
Die Reinigungsprozesse, besonders diese passiven, sind subjektiv für uns oft schwer erträglich. Das hängt mit dem Loslösungsprozeß zusammen, der – je nach dem Grad unserer Verhaftung an Dinge, Menschen und uns selbst – mehr oder weniger leidvoll ist.
Vergessen wir aber niemals: Es handelt sich um ein Liebeshandeln Gottes, der will, daß wir Frucht bringen. Dies ist die Absicht unseres Herrn, und nicht etwa, uns Schmerz und Leid zu bereiten!
Die Reinigungen helfen uns, im Herrn zu bleiben und uns immer mehr von seiner Liebe durchdringen zu lassen, uns ganz tief in Ihm zu verwurzeln, so daß aus dieser innigsten Verbindung Frucht erwächst, ja sogar reiche Frucht, wie es der Herr verheißen hat.
Unsere Aufgabe besteht also primär darin, die Beziehung zum Herrn zu pflegen, bei den Reinigungen mitzuwirken und Ihn durch den Heiligen Geist wirken zu lassen. So werden wir fruchtbar im Weinberg des Herrn!