Geistlich-seelische Heilung durch Gott »Die Askese als Wächterin der Freiheit«

Wenn wir nun die letzten Abschnitte dieses Themas behandeln, ist mir bewußt, daß es noch viele weitere Aspekte geben würde, wie Gott unserer Seele Heilung und Stärkung anbietet.

Mit der Behandlung dieses Themas wollte ich zeigen, daß wir als Katholiken einen authentischen Weg kennen, wie unsere durch die Erbsünde und durch persönliche Sünden verwundete Seele von Gott aufgerichtet werden kann. Wenn wir diesen Weg konsequent gehen, wird unsere Seele immer mehr heilen und von Gottes Geist durchdrungen werden.

Wie ich es bereits im ersten Teil dieses Themas erwähnt habe, wollte ich nicht physische Krankheiten oder schwere psychische Schäden der Seele in den Blick nehmen. Ebenso können wir in diesem Rahmen nicht betrachten, was mit Seelen ist, die eventuell unter einem besonderen negativen dämonischen Einfluß stehen, weil all diese sehr unheilen oder kranken Erscheinungsformen einer besonderen Hilfestellung bedürfen.

Heute möchte ich die Wichtigkeit einer klugen Askese betonen, welche die Seele stärkt und aufrichtet.

Askese bedeutet Kampf und Anstrengung. Damit ist gemeint, daß ich mich mit Gottes Hilfe aktiv bemühe, die Herrschaft über meine Antriebe und negativen Neigungen zurückzugewinnen. Es geht vor allem um die Stärkung des Willens.

Dies wird leicht verständlich, wenn wir uns ein einfaches Beispiel anschauen. Nehmen wir an, ich bin gefährdet, zu viel Alkohol zu trinken. Dabei spreche ich nicht von einer krankhaften Sucht, die in der Regel schwere seelische Probleme aufzeigt, sondern von einer Neigung, mehr Alkohol zu mir zu nehmen, als es gut ist, also das Maß zu verlieren.

Wenn ich dieser negativen Gewohnheit des zu häufigen und überzogenen Alkoholgenusses folge, wird mein Wille zusehends geschwächt und ich gerate in eine Unfreiheit, was den Alkohol betrifft. Meine Seele stellt sich auf den Genuß und die damit verbundenen seelischen Reaktionen ein und verlangt immer wieder danach. Obwohl ich merke, daß es nicht gut für mich ist, werde ich die Situation nicht zum Besseren verändern, wenn ich nicht eine klare Entscheidung treffe, dieses Problem in den Griff bekommen zu wollen. Es bedarf eines Willensaktes, der mit der Hilfe Gottes dann auch umgesetzt wird. Je früher, desto besser!

Was hier über den Alkoholgenuß gesagt wurde, gilt jedoch für viele andere Bereiche, die vielleicht weniger auffällig sind. Jene Bereiche, die ich nicht mit meinem Willen steuere, denen ich mich irgendwie ausliefere oder in denen ich mich ausgeliefert fühle und die eine Dominanz über mich gewinnen können. Dabei geht es nicht um konkrete Sünden – wobei eine Nachgiebigkeit meinen Schwächen gegenüber mich leichter für die Sünde disponiert –, sondern um den Verlust des Zustands, »der Herr im eigenen Haus zu sein«, also durch die Vernunft und den Willen mit dem Beistand des Herrn alles selbst zu regeln.

Durch die Askese wollen wir diese Herrschaft zurückgewinnen, indem wir bestimmte Formen der Enthaltsamkeit einüben. Damit ist im Sinne der heutigen Betrachtung nicht der weitgehende oder gar völlige Verzicht auf alle weltlichen und natürlichen Dinge gemeint, der allerdings bei besonders starken asketischen Lebensformen angemessen sein kann, sondern eine Zügelung der ungeordneten Begierden, damit wir uns nicht „gehenlassen“ und uns dem Zug unserer gefallenen menschlichen Natur überlassen.

Die Heilung der Seele durch eine kluge Askese besteht darin, daß sie ihre Freiheit und somit ihre Würde zurückgewinnt. Damit werden die tiefen Wunden geheilt, die ihr durch die Erbsünde geschlagen wurden.

Mit dem Begriff Askese ist Selbstbeherrschung verbunden, wobei wir bei unserer Betrachtung die Askese bewußt auf den Weg der Nachfolge des Herrn hin ordnen.

Die Bemühungen um die Zurückgewinnung der Freiheit betreffen jedoch nicht nur äußerliche Unfreiheiten in unserem Verhalten, sondern auch feinere ungeordnete Bereiche. Beispielsweise Neigungen, zu viel zu reden, zu lange Zeit mit unwichtigen Dingen zu verbringen, die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen, zu viel mit sich selbst oder mit seinem Aussehen beschäftigt zu sein und entsprechende Eitelkeiten zu pflegen, unnötige Diskussionen zu führen und vieles mehr. Im Grunde genommen geht es darum, daß überall dort, wo geistige Unordnung in unserem Leben herrscht, durch unsere Bemühungen die rechte Ordnung hergestellt wird.

Die rechte Askese zügelt auch die Gedanken und Gefühle. Sie wacht über unser Leben, jedoch nicht im Sinne einer strengen, lebensfeindlichen Kontrolle, sondern als Wächterin der Freiheit. Sie erkennt selbst und läßt sich von Gott zeigen, wo noch Unfreiheiten im inneren und äußeren Leben bestehen, um diese dauerhaft zu überwinden.

Die Askese läßt sich gut mit der Zügelung eines Pferdes vergleichen. Nur wenn es gezügelt wird, bewegt es sich in die Richtung, in die der Reiter es führen will. So hilft die Askese dabei, den Weg, den der Herr uns führt, mit unserem Willen und Verstand mitzugehen.

Die Askese bleibt ein Kampf, eine Anstrengung bis ans Lebensende, denn wir werden es immer mit den Neigungen unserer gefallenen Natur zu tun haben. Diese können in unserem irdischen Dasein nicht völlig überwunden werden. Doch gewinnen wir durch sie – auch wenn es Niederlagen geben mag – eine größere Freiheit und erheben uns dadurch leichter zu Gott. Wir verlieren uns nicht so schnell in den Dingen dieser Welt, weil wir ihnen nicht erlauben, Herrschaft über uns auszuüben. Das gilt auch für die Beziehung zu den Menschen. Auch sie bedarf der inneren Freiheit, damit keine unguten Bindungen entstehen, und damit die richtigen Bindungen umso tiefer gehen können.

Herr über uns ist nur Gott, dem wir mit ganzem Herzen unbegrenzt anhangen wollen. Deshalb achten wir in der Askese sorgsam darauf, daß diese Herrschaft Gottes in uns Wirklichkeit wird und äußere und innere Unfreiheiten sie nicht vermindern.

Betrachtung zur Tageslesung: https://elijamission.net/die-liebe-der-rut/#more-12475

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