Der prophetische Dienst

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Apg 12,24-13,5

In jenen Tagen wuchs das Wort des Herrn und breitete sich aus. Nachdem Barnabas und Saulus in Jerusalem ihre Aufgabe erfüllt hatten, kehrten sie zurück; Johannes mit dem Beinamen Markus nahmen sie mit. In der Gemeinde von Antiochia gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Zyrene, Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und Saulus. Als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe. Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen. Vom Heiligen Geist ausgesandt, zogen sie nach Seleuzia hinab und segelten von da nach Zypern. Als sie in Salamis angekommen waren, verkündeten sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden. Johannes hatten sie als Helfer bei sich.

Wir hören heute in der Apostelgeschichte, daß es in der Gemeinde von Antiochia Propheten und Lehrer gab, die dann auch namentlich genannt werden.

Heute sind wir in der katholischen Kirche nicht mehr gewohnt, von Propheten zu sprechen. Propheten gehören nach allgemeinem Verständnis in das Alte Testament. Man spricht in Bezug auf den Priester von der Teilhabe am königlichen, priesterlichen und prophetischen Amt. Weiterhin begegnet uns im Rahmen der sog. charismatischen Erneuerung das prophetische Wort als eines der Charismen, die der Heilige Geist schenkt. (vgl. 1 Kor 12,10), und wir reflektieren die Aufgabe der Laien in dieser Welt vielleicht auch mit Blick auf eine prophetische Dimension in ihrem Tun.

Propheten jedoch, die ein ihnen eigenes Amt in der Kirche ausführen würden, sind uns nicht bekannt. Vielleicht kommen Ordensgründer oder Gründer geistlicher Bewegungen dem noch am nächsten, oder man kann vielleicht von einer prophetischen Dimension im Leben von bestimmten Heiligen oder Gläubigen sprechen, aber den Begriff des “Propheten” für eine Berufung in der Kirche kennen wir nicht oder nicht mehr.

Anders war es offensichtlich in der frühen Kirche. Der Begriff Prophet war ebenso selbstverständlich, wie es auch die Führung durch den Heiligen Geist gewesen ist. Barnabas und Paulus wurden vom Heiligen Geist, wie es im Text heißt, für Sein Werk ausgewählt. Es wird nicht beschrieben, wie das genau geschah und durch wen der Heilige Geist gesprochen hat; aber offensichtlich gab es keinerlei Unsicherheit, daß es sich um das Wirken des Heiligen Geistes und nicht etwa um eine Täuschung handelte. Heute sind wir in der Regel etwas zurückhaltender, wenn wir von der Führung durch den Heiligen Geist sprechen. Wo aber finden wir heute noch einen prophetischen Geist wirksam, der nicht unmittelbar an das Priesteramt gebunden ist?

Auf einer Tagung in Rom sprach vor kurzer Zeit Kardinal Walter Brandmüller, ein deutscher Kirchenrechtler, über die Aufgabe der Laien in der Bewahrung des Glaubens. Mit Verweis auf die arianische Krise im 4. Jahrhundert sagte er, daß damals die Laien den rechten Glauben verteidigten, während die Bischöfe sich oft im Irrtum befanden und einander widersprachen. Gemäß Kardinal Newman wurde in dieser Krise das Dogma der Göttlichkeit Christi mehr von denen geschützt, die ihrer Taufgnade treu blieben, als von jenen, welche die Aufgabe des Lehrens in der Kirche hatten.

Hier wird also die prophetische Dimension im Leben der einfachen Gläubigen wirksam, nämlich die Verteidigung des Glaubens und die Zurückweisung des Irrtums. Das ist nicht nur der Kirchenleitung übertragen – obwohl diese als erste eine solche Aufgabe zu erfüllen hätte – sondern ist auch dem Glaubenssinn des Volkes Gottes zu eigen. Das wird besonders in Krisenzeiten wirksam, wie es damals während der arianischen Krise war, und ganz gewiß auch heute, wo antichristliche Elemente nicht nur in der Welt wirksam werden, sondern auch in die Kirche eindringen möchten.

Dieser “Glaubenssinn der Gläubigen” ist laut Kardinal Brandmüller nicht etwa repräsentiert durch eine allgemeine Stimmung in der Kirche oder eine Art Plebiszit, welches man durch Umfragen erhalten kann, sondern er wird besonders in den Gläubigen wirksam, welche sich um die Heiligkeit bemühen.

Mögen wir zwar heute nicht mehr Propheten in dieser Weise kennen und identifizieren, wie das noch zu Beginn der Kirchengeschichte war, so zeigt doch das Beispiel der Gläubigen im vierten Jahrhundert deutlich die Wahrnehmung einer prophetischen Aufgabe. Darin können wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen, der die Gläubigen ermutigte, nicht an der damaligen Verwirrung ihrer Hirten teilzuhaben, sondern als prophetisches Korrektiv zu wirken. Gott sei Dank wurde dann die Krise gelöst.

Dieses Beispiel – und es wird nicht das einzige sein – mag uns zeigen, daß wir in jeder Hinsicht unserer christlichen Berufung entsprechen sollten. Die Christgläubigen haben nicht nur das Recht auf freie Rede in der Kirche – auf der Basis des wahren Glaubens und der Liebe – sondern manchmal die Pflicht, ihre Sorge um das Wohl der Kirche ihren Hirten mitzuteilen. Hier kann sich ein wichtiger prophetischer Dienst verwirklichen, den man nicht aus Menschenfurcht unterlassen sollte und der gerade auch heute sehr wichtig ist.

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