Joh 10,11-16 (Evangelium am Gedenktag des Heiligen Karl Borromäus)
In jener Zeit sprach Jesus: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, läßt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.
So sehr wir Menschen auch mit der Gnade Gottes mitzuwirken haben, so ist unser Anteil doch immer der geringere. Denn – was wären die Schafe ohne den guten Hirten? Sie würden den Wölfen zum Opfer fallen, weil sie ihnen unterlegen sind und sich nicht mit denselben Mitteln zur Wehr setzen wie diejenigen, welche sie angreifen. Schafe verstellen sich nicht.
Doch sie haben den guten Hirten, der nicht von ihnen weicht und unter dessen Schutz sie immer stehen, denn die Schar des Lammes, über die der Herr sagt: “ich kenne die Meinen”, sie gehört Gott in der Liebe an. Sie haben ihr Leben Gott ganz anvertraut, weil sie das Herz ihres Herrn, seine Stimme kennen. Sie gehören Gott, nicht im Sinne eines irdischen Besitzes, über den man verfügt, sondern im tiefen Vertrauen und der ganzen Bereitschaft, den Willen Gottes zu tun; und vor allem, weil der liebende Gott sie seiner Liebe würdig macht.
Die Hingabe an Gott ist die Antwort, welche die Gnade Gottes in uns hervorbringt, denn sie eröffnet uns durch den Heiligen Geist immer mehr die Liebe Gottes, läßt sie uns verstehen und in uns eindringen. Wer kann dieser Liebe widerstehen, wenn sie anklopft und sich uns immer mehr verständlich macht?
Unser Hirte – und damit jeder gute Hirte, der ihm nachfolgt – gibt das Leben hin für seine Schafe. Wir sind ihm wichtiger als sein eigenes Leben. Wenn wir angegriffen werden, wird »sein Augapfel« (vgl. Ps 17,8) angegriffen, sein Herz, seine Liebe. Er stellt sich dem Wolf entgegen und vertreibt ihn und würde eher sich selbst töten lassen, als aufzuhören, die Schafe zu beschützen.
Der Herr erkennt den Wolf, der die Schafe reißen und auseinanderjagen will, um uns dann zu töten. Jeder gute Hirte sollte den Wolf auch erkennen!
Doch verkleiden sich die Wölfe manchmal im Schafspelz, im schlimmsten Falle gar als Hirten. Da braucht es besonders die Gabe der »Unterscheidung der Geister«, um Licht von Zwielicht und Finsternis zu unterscheiden.
Denken wir an die Zeit Jesu: Wie deutlich hat der Herr die Schriftgelehrten und Pharisäer zurechtgewiesen, indem er sie “blinde Blindenführer” (Mt 15,14) nannte: “Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Ihr selbst geht nicht hinein; aber ihr laßt auch die nicht hinein, die hineingehen wollen.” (Mt 23,13-14).
So brauchen wir auch heute dringend den guten Hirten, nämlich Jesus selbst, der die Seinen vor Verwirrung und vor den Wölfen schützt.
In diesen Zeiten der noch nicht überwundenen Pandemie hilft eine klare Richtungsbestimmung. Gott hat diese Pandemie zugelassen, um die Welt und die Kirche zur Umkehr zu rufen. Sie ist eine Zurechtweisung und somit eine Weisung Gottes, auf den rechten Weg zurückzukehren oder ihn erst zu finden.
Deshalb kann man nur jenen Stimmen das Ohr leihen, welche diesen Zusammenhang deutlich herausstellen und zu entsprechenden Schritten aufrufen. Alles andere verbreitet Nebel, welcher von den »Wölfen« genutzt werden kann, um unerkannt weiter zu wirken und die Herde zu zerstreuen.
In der Welt muß man aufhören, gegen Gottes Gebote zu handeln.
Die Kirche muß ihren Auftrag erfüllen, Jesus allen Völkern uneingeschränkt als den einzigen Retter der Welt zu verkünden, und die Menschen – ohne jede Idolatrie und Vermischung – zur wahren Anbetung Gottes zu führen. Wenn sie das nicht tut, verwandelt sie sich, je nach dem Grad ihrer Verschmelzung mit der Welt, in eine innerweltliche Institution. Diese wird dann leicht zum Spielball antichristlicher Mächte, und der Schlüssel zum Himmelreich geht ihr verloren.
Lassen wir uns nicht irreführen – von niemandem! Das Wort Gottes ist eindeutig, und die überlieferte Lehre der Kirche ist es auch!
Die »anderen Schafe«, welche der Herr führen möchte und die auf seine Stimme hören, warten noch auf die rechte Verkündigung. Diese muß klar sein, damit die Menschen das reine Wasser vom Thron Gottes und des Lammes (vgl. Apk 22,1) empfangen und somit auf jene Weiden geführt werden, auf denen sie der gute Hirte nährt und beschützt.
Besser eine kleine Herde, welche dem Lamm folgt, wohin es geht (Apk 14,4), als eine Kirche, die sich mit der Welt einläßt und ihre geistliche Kraft verliert.