Der Heilige Othmar von St. Gallen: »Verleumdet und in der Verbannung gestorben«     

Heute habe ich einen Heiligen gewählt, der eng mit der Gegend am Bodensee verbunden ist, in der sich das Mutterhaus der Gemeinschaft Agnus Dei befindet.

Othmar wurde um 690 geboren und stammte vermutlich aus einem vornehmen alemannischen Geschlecht. Schon im Kindesalter kam er durch seinen Bruder an den Hof des Grafen Viktor in Chur in Graubünden. Dort genoß er eine gute Erziehung und zeichnete sich sowohl durch Talent und Fleiß, als auch – und zwar noch weit mehr – durch sein andächtiges und frommes Wesen aus.

Er wurde Priester und tat einige Zeit seinen Dienst in der Kirche St. Florin. Doch bald wurde er vom Tribun Waltram zum Vorsteher der Einsiedelei des heiligen Gallus im Hochtal der Steinach an der Stelle des heutigen Klosters St. Gallen ernannt. Die um 612 errichtete Eremitenzelle des irischen Glaubensboten Gallus stand ein Jahrhundert nach ihrer Gründung vor dem Zerfall. Die kleine Gemeinschaft, die noch am Grab des Heiligen ausharrte, drohte auszusterben.  Es gelang Othmar, am Gallusgrab eine Klostergemeinschaft aufzubauen. Das hölzerne Bethaus der Galluszelle ersetzte er durch eine Steinkirche.

Um als Abt das Vorbild und die Leuchte seiner Brüder zu sein, übte er sich mit eiserner Ausdauer im Fasten und Betrachten, in Nachtwachen und völliger Selbstverleugnung. Seine Tätigkeit grenzte an das Wunderbare; er richtete die zerstörten Gebäude wieder auf, leitete die Arbeiter an, besorgte den Haushalt, sammelte die zerstreuten Mönche, vermehrte ihre Zahl durch die Aufnahme junger Alemannen und Schweizer, führte die Regel des heiligen Benedikt ein, erteilte Unterricht in den nötigen Wissenschaften und im geistlichen Leben, handhabte eine vortreffliche Ordnung, kümmerte sich um die Armen und Kranken und gewann viele Wohltäter. In wenigen Jahren stand das Kloster St. Gallen in solcher Blüte und genoß einen so guten Ruf, daß sich das neu errichtete Kloster Tegernsee Mönche von ihm erbat.

Othmar führte ein vorbildliches Ordensleben. Er hatte nahe beim Kloster ein großes Armen- und Krankenhaus eingerichtet und zusätzlich ein eigenes Spital für die Ärmsten und die Aussätzigen gebaut. Diese pflegte er während der Nachtstunden meist selbst. Er wusch ihnen Kopf und Füße, reinigte ihre Eiterbeulen und reichte ihnen erquickende Nahrung. Tagsüber war er wieder die treibende Kraft des Klosters. Er gründete ein Konvikt für studierende junge Männer sowie eine Schule, die Jahrhunderte lang ein Leuchtturm für ganz Deutschland in Kunst und Wissenschaft, Kultur und Gesittung war.

Auch wenn das Kloster aufblühte und durch Schenkungen wohlhabend wurde, behielt Othmar seine einfache Lebensweise bei und ließ sich nicht von äußerer Pracht blenden. Doch der wachsende Besitz des Klosters erweckte die Habgier fränkischer Beamter. Die Alemannen waren zu dieser Zeit politisch von den Franken beherrscht. Die fränkischen Gaugrafen Warin und Ruthard raubten dem Kloster mehrere Besitzungen.

Um den Bestand des Klosters weiterhin zu sichern, begab sich Othmar zu König Pippin. Dieser wies die Gaugrafen an, das geraubte Gut wieder zurückzugeben. Doch die Grafen kümmerten sich nicht um den Königsbefehl und behielten ihre Beute. Daraufhin machte sich Othmar erneut auf den Weg zu König Pippin. Er wurde jedoch gefangengenommen. Aus der Vita des heiligen Othmar stammen folgende Zeilen des Mönches Walafrid:

“Auch ließen sie [die genannten Grafen] den Mann Gottes Othmar, als er deshalb den König von neuem angehen wollte, durch heimlich nachgesendete Waffenleute in Banden werfen und gewaltsam zurückführen. Und einen gewissen Landpert, der den Brüdern wegen Ablegung der Gelübde, nicht aber wegen seines frommen Lebenswandels zugezählt wurde, überredeten sie, daß er den Mann Gottes durch eine fein ersonnene List des Lasters der Wollust bezichtigte, indem sie darauf hinzielten, so seine Heiligkeit zu verdächtigen und Gelegenheit zu seiner Absetzung zu finden. Man berief eine Versammlung ein. So wurde nun der wegen seiner Sittenreinheit, Charakterreife und seines hohen Alters ehrwürdige Mann in die Mitte der Versammlung geführt und als dessen Ankläger Lantpert, der Diener der Unwahrheit, vor allen aufgestellt. Nachdem die Erlaubnis zum Reden erteilt war, sagte dieser wahrheitsvergessene Bekenner der Lügen, daß er ein Weib kenne, welches von dem frommen Mann genotzüchtigt sei. Hierauf soll Othmar durchaus nichts erwidert haben. Als sie ihn drängten, etwas zu sagen, sprach er: »Ich bekenne, daß ich übermäßig in vielen Stücken gesündigt habe; über die Anschuldigung dieses Verbrechens aber rufe ich Gott, der in mein Inneres schaut, zum Zeugen an.« Danach schwieg er, wohl wissend, daß die Richter ihn verurteilen wollten.”

So geschah es dann auch! Othmar wurde verurteilt. In der Vita heißt es weiter:

“Nachdem die ungerecht begonnene Versammlung noch ungerechter geschlossen war, wurde der Mann Gottes Othmar bei dem Hofgut Potamum [heute Bodman; die Königspfalz, wovon der See den Namen hat] in der Pfalz eingeschlossen. Weil keinem dort einzutreten oder mit ihm zu reden erlaubt wurde, verbrachte er einige Tage ohne körperliche Nahrung.”

An dieser Stelle beginnt die Geschichte des heiligen Othmar, unsere Gemeinschaft unmittelbar zu berühren. Unser Mutterkloster liegt in Bodman auf einer Anhöhe und ist im Besitz des Grafen von Bodman. Es war zuvor ein Schloß. Der heilige Othmar wurde, wie es heißt, in der Königspfalz in Bodman festgesetzt. Es gibt Stimmen, die vermuten, daß er einige Zeit im Kerker des damaligen Schlosses eingesperrt war, das wir heute bewohnen. Sein Gefängnis wäre dann an der Stelle gewesen, an der wir nun eine Gedenkstätte für die ungeborenen Kinder errichtet haben, denen das Recht auf Leben genommen wurde: die Rahelgrotte (https://grutaraquel.harpadei.com/de/).

Es berührt uns jedenfalls, daß ein heiliger Abt, durch den viele Wunder geschahen und der unschuldig verurteilt wurde, in Bodman und vielleicht sogar konkret auch an unserem Platz gewesen ist.

Nach seiner Gefangenschaft in Bodman wurde Othmar auf die Rheininsel Werd verbannt, wo er am 16. November 759 an den Folgen der Mißhandlungen während seiner Gefangenschaft starb. Ein Jahrzehnt später wurde sein unversehrter Leib ins Kloster St. Gallen überführt und im Jahre 864 wurde Othmar heiliggesprochen. Seither wird er als Patron der Verleumdeten und Verfolgten, der Schwangeren sowie als Vorbild der Krankenpfleger, neuestens auch als Schützer der schweigenden Kirche verehrt.

Heiliger Othmar, bitte für alle, die um des Namens des Herrn willen Verfolgungen und Verleumdungen erleiden!

Betrachtung zum Tagesevangelium: https://elijamission.net/das-ende-der-zeiten-2/#more-10277

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